Ausgewählter Beitrag
Bedeutungslosigkeit
Wenn man in seinem Leben doch nur diese Handvoll Menschen überhaupt erreicht hat - wenn überhaupt - und wenn der Unterschied, den man gemacht hat, so verschwindend gering war, dass das Leben auch ohne mich seinen Weg gefunden hätte, welche Bedeutung habe ich dann überhaupt? Wenn alles Interesse an mir in meiner Funktion begründet liegt, wenn all mein Wirken mit meinem Rückzug nicht nur in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, sondern auch in seiner bloßen Existenz fraglich würde, warum sollte ich dann auch nur noch einen einzigen Schritt in eine Zukunft machen, die nach Erfahrungswerten mit der Vergangenheit und den Menschen darin nichts anderes erwarten lässt als weiteren Schmerz, weitere Enttäuschung, weitere Lügen und weiteren Verrat?
Wenn ich mich nun aus diesem Hamsterrad befreie, in wievielen Stunden, Tagen werde ich vergessen sein? Die Gewissheit, dass ich in Wochen oder Monaten selbst für Menschen, die nun behaupten, ich sei für ihre Leben wertvoll und wichtig, nur noch eine dieser vagen Erinnerungen sein werde, die einem wie nicht aussprechbare Worte hinten auf der Zunge liegen und dann beim Finden einer Umschreibung einfach in Vergessenheit versinken, macht mein Leben so unwichtig wie wertlos. Und im nächsten Schritt muss man vielleicht erkennen, welch Freiheit in diesen Erkenntnissen liegt. Mit welcher Kompromisslosigkeit sie einen Menschen von den Ketten des Richtigseins, Richtigtuns und Richtiglebens befreit. Wenn die Vorstellung von einem Vermächtnis so übermächtig wurde, dass man vergisst, dass dieses Leben vielleicht nur dazu dient, hedonistisch alles mitzunehmen,was es einem anbietet. Wo Begriffe wie Moral oder Ethik nur denen dienen, die sich ihrer ohnehin widersetzen, ist die beständige Predigt von Tugenden doch die schärfste Waffe derjenigen, die sich selber unmoralisch und skrupellos nehmen, was sie wollen. Und in Abwesenheit einer Hölle bleibt dieses Verhalten ohnehin ungestraft, ungesühnt. Davon fantasieren nur die, die denken, dass wir als die Krone der Schöpfung, als Gottes Meisterwerk in irgendeiner Form fürs angepasste Bravsein belohnt werden. Werden wir aber nicht.