
Lieber Opa.
Heute sind es 10 Jahre, die du nicht mehr hier bist. Vor 10 Jahren lagst du schon seit zwei Tagen im Krankenhaus, weil es dir nicht so gut ging. Nichts Wildes. "Alles gut", sagten die Ärzte. Und trotzdem war ich schon seit Tagen unruhig. Trotzdem konnte ich deinen letzten Blick zum Abschied nicht vergessen, als wir dich erst zwei Wochen zuvor besucht hatten. Und an diesem Tag um 21:15 Uhr hatte ich das unglaublich beunruhigende Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Der Mann rief für mich im Krankenhaus an und die Schwester sagte nur leise, sie würde das Telefon zu Oma bringen. Sie war an diesem Tag nicht wie sonst um 18 Uhr nach Hause gefahren, sondern blieb bei dir. Und hielt die ganze Zeit deine Hand.
10 Minuten vor unserem Anruf bist du gestorben, nachdem du ihr Lebewohl gesagt hattest. Wir packten noch in der Nacht Kleidung und alle Kinder zusammen und fuhren zu euch. Es sollten noch zwei Tage vergehen, bis ich dich bei der Aufbahrung ein allerletztes Mal in meine Arme schließen durfte. Den allerletzten Kuss auf deine Stirn - so wie du mich als kleines Mädchen immer auf die Stirn geküsst hast.
Opa, ich vermisse dich.
Du warst ein großartiger Opa. Der Beste. Mein Held. Mein Riese.
Der Inbegriff von Stärke, Mut und Schutz.
Du hast in deinen letzten Jahren mal sehr wehmütig zu mir gesagt, es wäre kein schönes Leben gewesen. Der Krieg hat so viel in dir zerstört. Du musstest Dinge sehen und erleben, die dich niemals mehr losgelassen haben.
Aber weißt du was?
Du warst wichtig. Für mich.
Du hast den entscheidenden Unterschied gemacht.
Dein Leben und deine Liebe haben mir die Kraft gegeben, wieder aufzustehen. Weiterzumachen. Nur durch dich weiß ich, wie Liebe zu einem Kind aussehen kann.
Du hast das Feuer am brennen gehalten, als ich es löschen wollte.
Ich denke an dich, wenn ich die Kaninchen sehe, ich denke an dich, wenn der Kirschbaum wie jedes Jahr an deinem Geburtstag die ersten Blätter bekommt und wie jedes Jahr an deinem Todestag in voller Blüte steht.
Ich denke an dich, jedesmal wenn ich ein Werkzeug in die Hand nehme und einen Nagel einschlage, wenn die Kinder zu laut sind und ich gedanklich zu einem "Leiser!" ansetze. Dann höre ich deine tiefe dröhnende Stimme in meinem Kopf und bleibe still.
Ich denke an dich, wenn ich Vanilleeis kaufe und bei Himbeeren. Wenn wir Braten essen. Wenn jeden Tag dein und Omas Geschirr auf dem Tisch steht. Wenn ich im Garten grabe, wenn ich Eier sammle, wenn ein Kind nicht aufgegessen hat und wir grinsend darüber feixen, dass du dir den Teller schon längst geschnappt hättest.
Es ist so viel aus meinem Leben untrennbar mit Erinnerungen an dich und mich verknüpft, dass ich niemals ohne dich sein werde.
Und trotzdem fehlst du mir. So sehr.
Du Liebe,
ich fühle das sehr.
Mein Opa, mit dem ich von klein auf jedes Wochenende verbracht hatte, der oft als einziger mir vorbehaltlos zugetraut hat Abitur zu machen und zu studieren, ist fünf Tage vor der ersten Abiprüfung gestorben. Das ist 13 Jahre her,aber es schmerzt immernoch.
Fühl dich gedrückt.
vom 19.04.2022, 07.47