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Kati 30.05.2024, 08.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Briefe
Irgendwann kommt der Tag, an dem ich das Weiter, weiter! in meinem Kopf einfach ignoriere und stehenbleibe. An dem ich einfach nicht mehr weiter gehe, weil ich schon so viele Jahre eigentlich nicht mehr kann. Irgendwann. Und es wird ein wohliges Gefühl sein, weil ich meine Aufgaben hier erledigt habe und mich endlich zur Ruhe begeben kann. Nie wieder etwas fühlen, nie wieder Schmerz, nie wieder irgendetwas. Der Tod ist verlockend für Menschen wie uns. Ewiger Frieden.
Aber noch ist es nicht so weit. Und so schleppe ich mich seit Wochen durch Nächte, in denen sich der Suizid meines Vaters in Endlosschleife vor meinen Augen wiederholt. Mal bin ich nur dabei, mal bin ich er, mal ist er ich, alles verschwimmt ineinander und in dem Augenblick, in dem ich spüre, dass das Gift wirkt, ist der, in dem ich aus dem Schlaf hochschrecke und lange Momente nach Luft ringen muss, mein Gehirn verzweifelt kontrollierend, ob ich noch atmen kann, mein Herz noch schlägt…
Die Tage sind durchzogen vom Schmerz des Unverständnisses, das mir begegnet. All die Arbeit scheint umsonst, wird klein geredet, nicht so nötig, eigentlich alles nicht so schlimm, nicht so extrem, wie ich es darstelle, nicht so dringend, nicht so wild. Die Suche nach Empathie scheint vergebens, vielleicht ist es auch einfach nicht möglich, vielleicht muss ich einfach auch mal aufgeben können, um mich nicht selber zu zerstören.
In Wut und Schmerz und Trauer und Trauma habe ich eine schreckliche Fehlentscheidung getroffen und habe mich hinreißen lassen, mich selbst zu verletzen. Fataler als geplant, der Fuß ist hin und wie immer in diesen Fällen bestrafe ich mich mit dem Schmerz für die Verletzung. Ich bin es nicht wert, geschont zu werden, es ist nur gerechte Strafe, dass jeder Schritt mir durch Mark und Bein fährt, ich wollte es so, selber schuld, trag die Konsequenzen. Und das tue ich. Und ich merke jeden Vormittag, wie der Schmerz und die Kälte mich übermannen, ich nur noch schlafen will, nach dieser schon nur so geringen Belastung, die ich mir zumute - Gassi, einkaufen, Kinder betüdeln - ich zittere mich vor seelischer Erschöpfung durch die erste Hälfte des Januars und habe dabei nur Verachtung für mich übrig.
Ich kann nichts, ich bin nichts, ich scheitere selbst an der Liebe.Kati 08.01.2024, 12.00| (2/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Vom Leben und Sterben
Wir befinden uns zwischen den Jahren und leben und lieben uns intensiv durch diese Tage.
Volljährig, habe ich im Mai geschrieben und das damals noch so naiv anders gemeint als ich es heute fühle. Wer hätte gedacht, dass wir uns schon jetzt auf diese schwindelerregende Fahrt begeben würden?
Ich nicht.
Ich habe wenn überhaupt, erst sehr viel später damit gerechnet.
Wir sind
hart aneinander geprallt die letzten Monate. Ich streife gerade die letzten
Reste des Harmoniebedürfnisses meiner fruchtbaren Jahre ab und wandle mich
nicht nur äußerlich, sondern vor allem innerlich zum Kern dessen, was mich
ausmacht.
Wir sind längst nicht mehr so sehr daran gebunden, dass nur mein Operating System im Alltag oben ist. Die Kinder sind selbständig und schon verdammt groß und das erlaubt mir mehr Freiheiten, mich in Gänze entfalten zu können. Ich weiß, wie schwierig das für dich mitunter ist. Ich weiß, wie hart ich dich mit dir selber konfrontiere. Der Spiegel, den du mir in aller Liebe in den letzten Jahren so oft vorgehalten hast, damit ich mich weiterentwickeln und finden kann, ruht nun in meinen Händen.
Wann immer
ich dieser Tage auf deinen Rücken sehe - den schwarzen gefallenen Engel
betrachtend, der demütig und trotzdem unbeugsam dort kniet - verschwimmt das
Motiv mit dem Träger. Du hast wieder begonnen zu schreiben. Du hast dein
Mitleid für dich selber überwunden. Du stellst dich mir, jeder Konfrontation,
jedem Gespräch, jedem Schmerz.
Vor allem
dem Schmerz. Ich kenne keinen Menschen, der weniger zurückweichen würde als du
es tust, wenn es unangenehm wird.
Du hältst die Wahrheit aus, die wir uns geschworen
haben. Immer.
Ich weiß, dass du nicht gut schläfst. Ich kenne die Gedanken, die dich umtreiben. Ich kenne die Zweifel. Und ich weiß, dass ich oft grausam bin. Du willst nicht geschont werden. Und das tue ich nicht.
Ich bete dafür, dass wir eine Balance finden. Seit wir aus der Schwärze unserer Beziehung wieder ans Licht geschwommen sind, arbeiten wir Tag um Tag daran, ein besseres Ganzes zu sein als nur zwei Hälften, die zusammengefügt wurden. 10 Jahre sind es nächstes Jahr und wir sind in diesem Prozess weiter gelaufen als ich jemals für möglich hielt. Du hast mich so oft getragen, wenn ich nicht mehr weiterwollte. Wenn ich keinen Sinn mehr gesehen habe in all dem Kampf gegen mich selbst, die Schuldgefühle, die Last, die auf uns und unserer Erinnerung liegt.
Unsere
Beziehung war nie leicht.
Nie unbeschwert, nie frei von großer und schwerer
Verantwortung.
Der Wandel, den wir die letzten Monate erlebt haben, wäre vor 5,
10, 15 Jahren nie möglich gewesen.
Es ist wie es ist.
Es bringt nichts, das Was wäre gewesen wenn Spiel zu spielen.
Wir sind jetzt an dem Punkt, an den uns die gesamte Beziehungsarbeit der
letzten 18 Jahre getragen hat. Jedes Gespräch, jeder Streit, jede Zärtlichkeit,
jede Berührung, alle Liebe hat uns hierhin geführt. Und wir sind bereit für den
nächsten Schritt. Ich weiß das und ich glaube an uns, mehr denn je.
Ich liebe dich jeden Tag ein bisschen mehr als gestern und ich würde jeden
Tag schwören, dass ich dich nicht mehr lieben könnte als genau heute.
Die große Diagnose, die für dich im Raum steht, treibt dich um. Mir schenkt sie Frieden. Die Jahre, die seit dem ersten Verdacht vergangen sind, haben in mir einen Prozess in Gang gesetzt, der mich mit vielem versöhnt. Ich sehe dich in unseren Kindern, die ich anders auf ein Leben vorbereiten kann, in dem der Großteil der Menschheit nicht ihre Sprache spricht. Ich versuche ihnen mehr Werkzeug in die Hände zu legen als es deinen Eltern für dich möglich war. Ich möchte nicht, dass sie das Potential ihres ebenfalls überragenden Intellekts nur dafür nutzen müssen, zu funktionieren wie ihre Umgebung das von ihnen erwartet. Dir wurde so viel Unrecht getan. Auch von mir. Gerade von mir. Das tut mir unendlich leid, ohne dass ich wüsste, wie ich es hätte anders machen können.
Es ist wie es ist.
Es wird wie es sein soll.Kati 27.12.2023, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Briefe
Etwas fehlte
noch. Ich konnte es nicht greifen, aber das Puzzle war noch nicht fertig.
Es
klaffte eine Lücke mitten im Bild.
Und als ich mit den Kleinen auf dem Weg zum sehr großen Kind im Auto saß und nach hunderten von Kilometern den charakteristischen Berg hinauffuhr, hinter dem sich die Abfahrt zu dem Heimatort meiner Jugend befand, traf ich eine Entscheidung.
Wie unendlich vertraut
die Straßen waren, die Gebäude, alles. Mein Spiegel auf dem Beifahrersitz fragte
besorgt, ob alles in Ordnung sei, kaum dass wir den ersten Ort durchquerten.
Ich antwortete nicht. Die kurvige Strecke durch die Weinberge, so viele prägnante
Orte, so viele Erinnerungen, die mich überschwemmten, ich konnte einfach nichts
sagen. Als wir auf die Straße fuhren, die direkt zu meinem Elternhaus führen
würde, schnürte sich meine Kehle zu. Ich schaffe das nicht!, hämmerte es in meinem
Kopf. Weiter! skandierte es synchron.
Bauch vor Kopf, immer. Aber da war nur
noch ein Klumpen aus Angst und Panik und dem unausweichlichen Drang, etwas zu
beenden, das ich schon zu lange vor mir hergeschoben habe.
Vor 15 Jahren war ich das letzte Mal hier. 15 Jahre. Es war so viel passiert.
Ich bog in die Auffahrt ein und hielt direkt vor dem Haus an. Musterte die teuren Wagen, die davorstanden. Ich wusste, dass es an eine Familie verkauft wurde, die eine große Firma besitzt. Und dass sie viel verändern wollten, als sie es kauften.
Haben sie
nicht.
Das schmiedeeiserne verschnörkelte Tor, das ich in mühevoller Kleinarbeit
mit meinem Vater zusammengeschweißt hatte, hing immer noch an der einen Stelle
schief, so dass es nicht von den goldenen Römerköpfen gehalten werden konnte,
wenn es offen stand. Die Mauer zum Wohnwagenstellplatz hin, die ich gemauert hatte,
war schmuddelig und ungepflegt und bräuchte dringend einen Kärcher und danach
einen neuen Anstrich. Die Lampen auf den Mauersockeln waren mit Moos bedeckt
und unpoliert. Die Büsche schlecht geschnitten. Das Dach müsste vielleicht mal
neu gedeckt werden. Die große Weide, in der ich so viele Stunden als Kind
verbrachte, war weg und ist dem hässlichen Riesenwacholder gewichen, auf den
ich allergisch reagierte.
„Mama?“
Ich zuckte zusammen. Wir saßen immer noch im Auto.
„Wo sind wir?“
- Das ist mein Elternhaus. Hier habe ich gewohnt, als ich so alt war wie ihr beide jetzt.
Wir stiegen aus. Halb hoffte ich, es würde jemand aus dem Haus treten, dem ich mich vorstellen könnte, halb fürchtete ich es. Es geschah nichts. Und so stand ich da und wusste nicht so recht, wohin mit mir. Das epische Erlebnis blieb aus. Sollte ich mich geirrt haben? War es gar nicht wichtig, dass ich hierher kam?
„Das Haus ist superhässlich.“
Ich sah mein Kind an. Und dann das Haus. Ich hatte nie auch nur irgendetwas anderes als Bewunderung für dieses Gebäude gehört.
Die Kriegerin sah sich skeptisch um. „Und was hast du hier so gemacht?“
- Meistens bin ich weggelaufen. Hinter dem Haus beginnen die Felder, der Bach und wenn man einige Kilometer querfeldein gelaufen ist, ist da eine gigantische…
„Zeig es uns!“
Der Butz
lachte und spurtete los. Ich setzte mich in Bewegung und fühlte mit jedem
Schritt, wie sich die Vergangenheit mit der Gegenwart synchronisierte.
Hier.
Hier musste ich hin.
Ich lief schneller. Die beiden Kinder rannten den Weg
neben dem Bach entlang Richtung Felder. Kaum dass wir die Häusergrenze hinter
uns gelassen hatten, umfing mich die ohrenbetäubende Stille, wegen der ich
früher immer hierhin flüchtete. Plötzlich war ich 8, ich war 12, ich war 15, ich
war 45, es war Morgen, es war Tag, es war Mitternacht, es war jetzt und vor 30
Jahren, als ich erschöpft vom Laufen im Sommer unter klarem Sternenhimmel zu
Boden sank, in die Unendlichkeit des Weltalls blickte und erkannte, wie klein
und bedeutungslos wir alle im Vergleich zum großen Ganzen waren. Und trotzdem ein Teil davon. Ich spürte, wie mich der Trost durchströmte, die Kraft,
die ich früher an genau diesem Ort gesammelt hatte, um mich dem nächsten Tag zu
stellen. Um nicht aufzugeben, um nicht wahnsinnig zu werden.
Hier war ich richtig. Das Haus war gar nicht der Ort, an den ich zurückkehren musste. Wie blind ich war. Hier. Hier waren viel wichtigere Weichen für mein Leben gestellt worden.
Ich zeigte den Kindern den geheimen Übergang über den Bach, der hinter dichtem Bewuchs verborgen lag. Wo ich unter der Brücke in die Maueraussparung gekrochen war, um mich zu verstecken, wo ich geschlafen habe, wenn mich keiner suchte. Wo ich glücklich war.
Wo ich glücklich war…
Diese Worte brachten alles in mir zum Klingen. Hier. Hier war ich früher glücklich. Hier war Hoffnung. Meine Hoffnung. Hier war das Herz grün und voller Zuversicht für meine Zukunft.
Hier war ich frei.
Als wir Stunden
später fuhren, wusste ich, dass ich nicht mehr zurückkommen würde.
Das letzte
Puzzleteil liegt an seinem Platz.
Kati 10.12.2023, 06.00| (6/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Vom Leben und Sterben
Kati 08.11.2023, 09.00| (3/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos
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Kati 22.08.2023, 16.29| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos
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Kati 17.08.2023, 07.13| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos
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Kati 14.08.2023, 12.04| (2/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos