Ausgewählter Beitrag

14 Tage

Vor 14 Tagen brannte der Wald, stürmte es mitten in der Nacht, setzte irgendwann der Regen ein. Alles bei weit über 35 Grad.
Kurz vor Mitternacht entschied ich, nackt in den Pool zu gehen, fühlte mich eins mit dieser Welt und ihrem Chaos. Die Bären rannten durch den Garten, immer wieder Sirenen im Hintergrund. 

Plötzlich veränderte sich Ludwigs Haltung. Er zeigte an, dass irgendetwas überhaupt nicht in Ordnung war. Direkt danach eskalierten alle drei Hunde. Der Mann ging zum Tor, wo drei uniformierte Menschen in der Dunkelheit standen. Mir war schlagartig eiskalt. Ich stieg aus dem Wasser, warf mir ein Handtuch über, brachte die Bären ins Haus und ging selber wieder nach draußen.

Es goss inzwischen in Strömen. 
Ich wusste bereits, wer dort stand und was sie wollten.

3 Beamte der Kriminalpolizei betraten unseren Garten. „Wollen wir vielleicht hineingehen?“

Nein, sagte ich. Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre.

„Sind Sie die Tochter von…?“ „Lebt Ihr Vater in Schweden?“ „Wir… also ….“

Er hat sich selbst getötet, nicht wahr? Wann haben Sie ihn gefunden? 
In der Dunkelheit konnte ich die Erleichterung nicht sehen, sehr wohl aber in ihren Stimmen hören, als sie weitersprachen. Es wechselten einige Dokumente die Seiten, der Mann nahm alles an sich und schützte es vor dem Regen. Die dringende Bitte, am nächsten Tag bitte sofort in Stockholm anzurufen.

Es war kurz und schmerzlos. 
Ich weiß seit meiner Kindheit, dass dieser Tag irgendwann kommen würde und sein Gesundheitszustand war mir ebenfalls bekannt.
Der Mann legte die Dokumente von mir ungelesen in die Diele und ich ließ die Hunde wieder raus.
Das würde alles bis morgen warten können. 

Ich ließ mich ins kalte Wasser gleiten und tauchte unter.

Allein. Letzte. Überlebt.

Kati 04.08.2022, 14.14

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Anja Schlüter

Es ist lange her. Ich habe es erst heute gelesen.
Aber ich sehe mich selbst, in unserem Pool liegend, regungslos, atmend, meinem Herzschlag lauschend und die Welt ausblendend.
Manchmal braucht es einfach einen Pool.

vom 20.07.2023, 09.49
3. von Ute

Überlebt.
Es ist sehr lange her, als ich erstmals den Begriff Überlebende statt Opfer las.
Du bist der Inbegriff des Überlebens.

vom 06.08.2022, 15.04
2. von Tine

Liebe Kati, wir kennen uns nicht. Ich folge Dir bei Twitter und erlebe dabei ein ständiges Durchwirbeln meiner Gefühle. Zwischen traurig, geschockt, wütend, glücklich und hoffnungsvoll. Deine Erinnerungen an früher machen mich oft sehr traurig und hilflos. Du hast Unglaubliches durchgemacht. Ja. Du hast überlebt. Du hast sie alle überlebt. Und du machst es besser. Jedes Kind und jedes Tier kann glücklich sein, in Deiner Nähe zu leben. Du bist ein respektvoller, liebender Mensch geworden. Und das ist nicht selbstverständlich, hat man dir doch soviel anderes „beigebracht“. Diese erlernten Strukturen zu durchbrechen, es anders zu machen, den eigenen Weg zu gehen, all das kostet Kraft. Und der Kampf geht jeden Tag weiter. Es geht nicht weg, ist ein Teil von Dir. Und es hat sich zu der gemacht, die Du bist. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und Liebe für Deinen Kampf und Dein Leben. Mögen die Tage der Liebe wieder mehr werden als die Tage des Kampfes.
Pass auf Dich auf, meine Gedanken begleiten Dich. Tine

vom 06.08.2022, 09.52
1. von Kirsten Nitschke

Hallo liebe Jadekompendium, wir kennen uns nicht, aber ich folge dir und den Bären seit einer Weile.
Es ist unfassbar bewundernswert, wie eure Familie allen Widrigkeiten des Alltags und des Lebens trotzt.
Ich wünsche dir und euch starke Nerven und hoffentlich bald eine gewisse Leichtigkeit.
Liebe Grüße von einer Exil-Soesterin, (Kirsten)

vom 04.08.2022, 15.14



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.


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