
Ich habe es geträumt.
Elf Tage sind vergangen, seit ein fremder Mensch aus dem Internet mein echtes Leben betrat und in meinem Vorgarten stand und Fotos von mir, meinem Garten und meiner Burg machen wollte.
Elf Tage, seit ich rausging, ihn bat, vom Grundstück zu gehen und dabei keine Fotos von mir zu machen.
Elf Tage, seit mich ein Schlag an der Schläfe traf und mir die Lichter ausgingen.
Elf Tage Alltag, zwanghaftes Schilde hochhalten, strukturierter Alltag um jeden Preis.
Nicht in die Dunkelheit sinken, nicht dem Schwarz und auf gar keinen Fall dem Rot nachgeben.
Nicht dem Rot, das so verlockend buhlt.
Das tut es immer und es ist seitdem jeden Tag angeschwollen, verführerischer, attraktiver geworden.
Ich habe es geträumt. Es war nicht diese Situation, natürlich nicht. Ich ging auf der Straße, als mich jemand überraschend ans Bein trat. Keine große Sache. Bisschen schmerzhaft. Unverschämt, respektlos, aber im Grunde keine große Sache. Und Sekunden später sah ich nur noch die kurze Eisenstange in meiner Hand. Und ich schlug. Ich schlug und bei meinem Gott, ich genoss jeden einzelnen Schlag davon. Jedes Geräusch, jeden Bluttropfen, jedes Knochenknirschen, jedes Fitzelchen, das in mein Gesicht spritzte. Ich schlug wie von Sinnen und das warme und so weiche Gefühl von früher war da und umfing mich. JA, flüstert es mit einer Inbrunst und einer Intensität, die mich in rote Wolken hüllt und zuhause willkommen heißt.
Blutrausch.
Die absolute Lust an Gewalt.
Das Gefühl, das keinen Vergleich kennt.
Nicht einmal Wollust.
Nur der rote Rausch alles vernichtender Gewalt.
Ich bin schweißgebadet in meinem Heute aufgewacht, habe mich eingesperrt und hangele mich nun von Buchstabe zu Buchstabe, um meinen Neocortex oben zu halten.
Alles, was ich formulieren kann, müssen meine Instinkte nicht regeln.
Mein Leben ist schon so lange Jahre frei von dieser Form von Gewalt und trotzdem bleibt es ein tief verankerter Teil meines Ursprungsselbst.
Als ich aufhörte, Opfer zu sein, wurde ich Täter.
Ich verfüge seit meiner Säuglingszeit über eine unendliche Palette an Erfahrungswerten, was mir wie angetan wurde und was über Jahrzehnte am schmerzhaftesten auszuhalten war und diese Lektion sitzt.
Ich bin ein Monster, das sich jeden Tag bis zur völligen Erschöpfung bemüht, ein Leben zu führen, das niemanden dem ausliefert, was ich ertragen musste.
Und nun ist seit elf Tagen diese Mauer, die nur aus einem zwei Jahrzehnte alten Schwur und meiner Selbstdisziplin besteht, auf eine dünne Decke zusammengeschrumpft, die nichts mehr verbirgt sondern nur noch unzureichend bedeckt. Der Drang, jemandem wehzutun, ist übermächtig, sobald ich meine Schilde sinken lasse.
Mein stärkster Schild heißt Verletzlichkeit.
Solange ich zulassen kann, dass ich verletzlich bleibe, sind meine stärksten Wächter aktiv, die den Zugang zu dem bewachen, zu dem ich imstande bin.
Seit elf Tagen zürnen sie.
Ja.
Weswegen ich irgendwann die Sadistin in mir komplett in den Giftschrank gepackt habe.
Was nicht heißt, dass sie nicht gelegentlich massiv an der Tür rüttelt.
vom 21.03.2025, 22.12