Ausgewählter Beitrag

Extinction Burst

Wer eine Grenze zieht, muss bereit sein, sie zu verteidigen. 

Was in einem co-regulierten Nervensystem dann entsteht, ist zunächst Chaos. 
Interessanterweise wird der Begriff häufig in der Entwicklungspsychologie verwendet, aber wenn ein Mensch im Grunde emotional dort stehen geblieben ist, ist es vielleicht gar nicht so unpassend. Ein kindliches, nicht erwachsenes oder sich selbst regulierendes Nervensystem das merkt, dass eine alte und vermeintlich sicher geglaubte Bezugsquelle von Belohnung (in diesem Fall Bestätigung, emotionale Stabilität, Aufmerksamkeit, Verbindung) als Antwort auf bestimmtes Verhalten nicht mehr verfügbar ist, kollabiert.

Jemand, der sich absolut sicher ist, dass eine bestimmte Art von Aktion eine klar definierte belohnende Reaktion auslöst, ist im ersten Moment einfach nur irritiert, wenn sie ausbleibt. Er wird es erneut versuchen. Wenn auch dies nicht klappt, wird er die Aktion intensivieren, das alles läuft völlig automatisch ab und das Prinzip ist wohl jedem bekannt, der schon mal fester und/oder öfter auf die Eingabetaste seiner Tastatur gedrückt hat, wenn der Computer aufgehört hat zu funktionieren.
Je nach Intensität der Abhängigkeit von der erwarteten Belohnung weicht Irritation allerdings schnell Chaos.

Ein Mensch, der emotionale Stabilität nicht in sich selber findet und ein reiferes Nervensystem dafür benötigt, wird auf Instinktebene bald eine massive Form von Panik verspüren, die sein Suchverhalten ins Extreme treibt. Um bei dem Tastaturbeispiel zu bleiben: Es wird inzwischen auf die Eingabetaste gehämmert. Vielleicht Strg/Alt/Entf gedrückt, immer wieder, hektisch, bis man irgendwann völlig unkoordiniert und sinnlos auf der ganzen Tastatur herumhämmert, wütend wird, sich hilflos fühlt und einen chaotischen Drang in sich spürt, irgendetwas tun zu müssen, damit der Computer wieder reagiert. 

Ein Mensch, der sich auf existenzieller Ebene verloren fühlt, wird Aktionen hinzuziehen, derer er sich vielleicht sonst nicht bedient. 
Wenn A nicht funktioniert, und ein intensiveres A auch nicht funktioniert, müssen eben B, C, D ausprobiert werden. 
Der inzwischen nur noch von Angst und Bedürftigkeit gespeiste, völlig unkontrollierte innere Zwang, die Belohnungsreaktion auszulösen, manifestiert sich auf zwischenmenschlicher Ebene nach dem Anbieten des in der Vergangenheit funktionierenden Verhaltes (A) in Verhaltensweisen, die die gesamte Bandbreite gerade noch sozial vertretbaren negativen menschlichen Verhaltens abdecken: Selbstmitleid, Wut, Respektlosigkeit, Manipulation, Grenzverletzungen, Aktionismus - in seiner Gesamtheit also Fight, Flight, Fawn, Freeze in Dauerschleife. 

Der Mensch, der die Grenze hält und verteidigt, wird nicht mehr als eigenständiges Individuum mit sich verändernden eigenen Bedürfnissen betrachtet, sondern zum Feind.

Kati 17.12.2025, 09.28

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Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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