Ausgewählter Beitrag
gegen Windmühlen
Er sitzt vor unserem Supermarkt und spielt Akkordeon.
Mein gesamtes Münzgeld wandert in den zerrissenen Karton, der vor ihm steht und ich lächle ihn an.
Er lächelt zurück.
Ich mag sein Instrument - es scheint schon viele Orte gesehen zu haben.
Ich höre den einen schiefen Ton und sehe das abgeschrabbelte Leder der Gurte.
Es erinnert mich an Uropas Akkordeon, das er mir vererbt hat.
Das Akkordeon war vor 35 Jahren mein erstes Instrument, das wirkliche Liebe zur Musik geweckt hat.
"Wozu gibst du ihm Geld?", reißt mich das eine Kind aus meinen Gedanken.
Ich schweige zunächst, weil ich noch darüber nachdenke, wohin es mit seiner Frage möchte.
"Mama fand Bettler immer doof."
Ja, das denke ich mir, sage es aber nicht.
Es ist so viel Menschenverachtung in diesen Kindern, die ich manchmal nur schwer ertragen kann.
"Er bettelt nicht.", antworte ich also nur ruhig. "Er musiziert. Ich habe meine Anerkennung in Form von Geld ausgedrückt."
"Du gibst aber auch Bettlern immer Geld."
"Ja, das tue ich. Weil ich es will und wichtig finde."
Ich überlege, ob ich ein weiteres Mal meine Einstellung zu diesen Dingen erklären soll.
Ich entscheide mich dagegen.
Meine Kinder kennen meine Sicht auf diese Welt und die Zusatzkinder haben in über einem Jahr sehr wohl mehr als nur einen flüchtigen Blick darauf werfen können.
Ich habe im vergangenen Jahr so viel geredet wie in den ganzen 14 Jahren Mutterschaft davor nicht.
Und irgendwann ist der Punkt gekommen, an dem das keinen Sinn mehr macht.
Ich muss ihre Leben nicht leben.
Sie entscheiden selber, was sie für Menschen sein wollen.
Kommentare zu diesem Beitrag
Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.
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Do what is right. Not what is easy.
you want. It doesn't matter anyway.
Es ist bestimmt ein Kampf gegen Windmühlen, aber einen, wenn auch kleinen, Einfluss hat jede Erklärung schon, denke ich. Wenn es Klick macht, dann ist es super, wenn nicht, dann vielleicht beim nächsten Mal.
Die Gesellschaft hat sich leider mehr und mehr in Richtung "Ich, ich, ich" verändert.
Neulich hat meine Freundin auch einem Akkordeonspieler auf der Straße Geld gegeben. Es gibt also noch mehr, die 1. so denken wie Du und 2. das Akkordeon lieben. :)
Ist eben ein tolles Instrument.
vom 14.01.2018, 23.01