Ich habe wieder von dir geträumt. Von uns. Seit der Obduktionsbericht da ist, kreist mein Herz darum. Jeden Abend vor dem Einschlafen wälze ich deine letzten Momente im Leben hin und her. Worte im Gehirn, Risse in der Seele. Mitleid. Mitgefühl. Zum Bersten gefüllt mit Emotion. Es tut mir so unendlich leid. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass unser Frieden - ich glaube, der einzig Echte, den wir beide jemals hatten - genau dort stattfand, wo wir Leben genommen haben. Beim Jagen, beim Fischen. Ich habe so viele Lebewesen sterben sehen und gehört. Vor allem gehört. Und ich habe so viele davon selber getötet. Stolz war das, was in deinen Augen dabei aufblitzte. Qualvolle Pein, was ich empfand.
Aber die Jagd - nie waren wir uns näher als hier. Die endlose Ruhe in uns beiden, perfekt aufeinander abgestimmte Bewegungen, absolute Stille, nur Natur um und der Himmel über uns. Glück. Pures Glück. Es gibt einen Akt der Milde, den ich dir nie vergessen werde. Eine Lüge, die ich nur zu gerne geglaubt habe.
Ein Tier ist mir schwer verletzt entkommen und ich bin panisch schreiend und in Tränen aufgelöst vor dir auf die Knie gesunken, während der Schmerz in mir implodierte. Die Schuld, die Teile von mir schon als kleines Kind fast erdrückt hat, die Grundfähigkeit zur Empathie, die alles, was du von mir je verlangt hast, nur darin gipfeln ließ, dass die Trennung in mir so unumkehrbar erfolgte, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, die Bruchstücke meiner Selbst zu finden und mit dem Rest Liebe, der mir bleibt, willkommen zu heißen und in Sicherheit zu wiegen, wie es dir und euch nie möglich war.
Aber an diesem einen Tag, als ich mich nicht beruhigen konnte, als ich nicht aufhören konnte, zu schreien, als die Spiegelneuronen in mir explodierten und mein gesamtes Sein nur aus diesem verletzten und blutendem Wesen im Wald bestand, so dass ich dachte, ich muss an dieser Schuld selber sterben, da hast du mich angelogen.
Es war eine so alberne und barmherzige Lüge, wie nur Kinder sie glauben können, weil sie wollen. Ich hab sie nicht hinterfragt. Als wir zusammenpackten, zum Boot gingen und ich mich darin schluchzend zusammenrollte und einschlief, warst du in meiner Nähe und ich spürte dich. Als Mensch. Du hast mich nicht umarmt, nicht berührt, das hast du nie getan, aber da war Menschlichkeit. Ein Funken Verletzlichkeit. Das eine Mal.
Ich denke noch heute, so viele Jahrzehnte später, oft an dieses Tier und diesen Moment. Und an dich, wie du in diesem einen Augenblick warst.