Ausgewählter Beitrag

Stephan.

Die Nacht war hart. Alles mit den Träumen der Babys ist hart. Heute war es zwar mein Eigenes, aber es sah aus wie Stephan. Er war es. Und er war es wieder nicht. Ich habe ihn schreien gehört, wie jede Nacht, aber diesmal war das kombiniert mit einer der Feuerübungen, die ich machen musste, ich war also wieder in dem verqualmten Raum in dem schwedischen Haus eingeschlossen, aus dem ich mich befreien musste, weil mein Vater die Abzugsklappe des Kamins im Zimmer nebenan zumachte, dann Feuer entzündete aber statt nur mich selber retten zu müssen, schrie ununterbrochen das Baby, von dem ich nicht wusste, wo es sich befindet.

Die letzte Übung dieser Art ist jetzt fast 3 Jahrzehnte her, Stephan noch mal viele Jahre weiter zurück und trotzdem…
Zumindest die Erinnerungen an den Traum verblassen mit zunehmendem Tageslicht, die Echten bleiben mir erhalten.

Mein Vater liebte die psychischen Versuchsaufbauten. Es faszinierte ihn zeitlebens mehr als jede andere Kategorie. Wie lange hält ein Kind Schmerzen aus, wenn man ihm den Ausweg gibt, es in Ruhe zu lassen, wenn es selber stattdessen einem anderen Wesen Schmerzen zufügt? Wie weit kann man das steigern? Wie lange muss man eine Fünfjährige foltern, deren einziger Ausweg ist, dasselbe einem Baby, einem geliebten Tier, einem Gleichaltrigen anzutun?

Ich weiß nicht, was mit Stephan ist. Aber ich kann seine Schreie hören. Immer.

Kati 13.03.2023, 08.02

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Katrin

Ich hoffe, es ist ok für dich, wenn ich dir jetzt meine Wahrnehmung da lasse und sie deiner Empfindung als Referenz gegenüber stelle.

Ich spüre auch Schuld. Anders als du sie hier fühlst, spüre ich die schwere Schuld deines Vaters, die er auf sich geladen hat, weil er ein Täter ist, der seine Schutzbefohlenen mit schweren Mitteln nicht nur im Stich gelassen sondern sogar misshandelt hat.

Ich spüre Hilflosigkeit. Deine Hilflosigkeit als Kind. Deine kindliche Hilflosigkeit. Und ich spüre deinen Loyalitätskonflikt. Täterloyalität in Form von Väterloyalität: er ist schließlich dein Vater. Ich spüre Wut. Meine Wut. Auf deinen Vater, den Täter, der dich im Stich gelassen und dich misshandelt hat. Dich und Stephan. Und ich spüre unglaublich viel Liebe für dich, für das mutige kleine Mädchen, das versucht, mit dem Gefühl von Schuld wieder Kontrolle und Selbstwirksamkeit zurück zu erlangen in der größten Not der Hilflosigkeit. Und ich spüre deine Liebe. Zu Stephan.

Ich lasse dir ein grünes Herz ? hier und ich hoffe, es erreicht dich, euch, alle in dir.

vom 13.03.2023, 19.25
2. von abraxa

. (Würde gern mehr schreiben, rational, aber ich glaube, das passt gerade nicht. Ich denk an dich.)

vom 13.03.2023, 13.50
1. von Katrin

Was ist eine angemessene Gefühlsreaktion auf diese Erinnerung? Ich meine Wut. Kannst du hier Wut fühlen?

Für Stephan und für dich mein herzliches Mitgefühl.

Alles Liebe für dich.

vom 13.03.2023, 13.45
Antwort von Kati:

Nein. Nur Schuld. Immer Schuld.
Wenn ich doch nur stärker gewesen wäre...


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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