Ausgewählter Beitrag

ungeschrieben

Wir schreiben miteinander. Nicht richtig, aber immerhin. Da ist eine Art von Austausch.
Ich weiß nicht, wie es dir geht und ich kann es dich auch nicht fragen.
Es erschiene mir vermessen, dir eine derart persönliche Frage zu stellen.
Sie ist zu intim, zu distanzlos.

Und ich weiß, dass du mir nicht die Wahrheit sagen würdest.
Ich weiß, dass Gefühle in unserer Beziehung keinen Platz haben.
Nie hatten.

Meine größte Errungenschaft als Erwachsene ist es, dir vor drei Jahren ganz klar und offen gesagt zu haben, wie sehr ich dich einmal geliebt habe. Ich habe das losgelassen. Du warst trotz allem mein Vater, auch wenn ich dich nicht so nennen konnte.

Ich sitze hier in meinem Zuhause, das du nicht kennst und höre unserem Lieblingssänger zu. Das heißt - ich weiß nicht, ob es noch Deiner ist. Aber ich erinnere mich an unzählige gewaltlose Stunden, in denen wir die Liebe zur Musik geteilt haben. Diese Erinnerungen sind so kostbar.

Inseln von Licht in einem Leben voller Schatten.

Meine Kinder, die du nicht kennst, sind in der Schule und ich liebe sie alle.
Ich habe ihnen heute Morgen allen gesagt, dass ich sie liebe, so wie jeden Tag.
Wir haben uns umarmt und ich freue mich darauf, sie heute Mittag und Nachmittag wiederzusehen.
Ich lebe ein glückliches Leben mit ihnen.
Mit ihnen und dem Mann, der an meiner Seite geht.
Den du kaum kennst und von dem du damals nur seinen beruflichen Erfolg sehen konntest.

Mit dem Mann, der meiner Seele ein Zuhause gegeben hat.

Vor drei Jahren habe ich dich in unsere Welt eingeladen. Du hast abgelehnt.

Manchmal frage ich mich, ob da irgendwo in deinem Innersten vielleicht noch ein Platz für das Schöne ist.
Für die Liebe.
Die Sehnsucht.
Hoffnung.
Oder ob du von den Menschen so enttäuscht bist, dass sich dieser Platz für immer verhärtet hat.
Vielleicht ist es auch nur die Beziehung zu mir.
Du hast deutliche Worte dafür gefunden, wie enttäuscht du von mir, meinem Lebensentwurf und meinen Entscheidungen bist.
Dass du mich nicht liebst.
Dass nur ganz früher, als ich sehr klein war, überhaupt so etwas wie Zugewandtheit da war.
Ich habe diese Worte gelesen.
Jedes einzelne wie ein Messerstich.

Und doch kann ich deine Ehrlichkeit anerkennen.
In der Welt aus Lügen, die meine Mutter ihr Leben lang um uns herum aufgebaut hat, sind sie eine Wohltat.

Jetzt sind nur noch wir übrig.

Wohin werden wir gehen?
Werden wir überhaupt irgendwohin gehen?

Oder kreuzen sich unsere Lebensbahnen nur noch ein letztes Mal durch den Tod meiner Mutter?

Kati 20.02.2018, 12.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Hanna

Ich lese immer mit grosser Aufmerksamkeit in deinem Blog und versuche mich in deine Situation zu versetzen! Es gelingt mir natürlich nicht wirklich,denn man muss es selber erlebt haben! Aber ich glaube,wenn mir jemand sagen würde,dass er mich nicht liebt und nicht an meinem Leben interessiert wäre,dann würde ich keinen Kontakt zu der Person haben wollen! Auch wenn es sich um meinen Vater handeln würde! Ich bin gespannt,wie diese minimale Annäherung sich entwickelt!
Ich wünsche dir stets die richtigen Entscheidungen,wenn es die in deiner Lage überhaupt gibt!
Viele liebe Grüße H.





vom 20.02.2018, 17.03


Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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