Blogeinträge (themensortiert)

Thema: out of order

Sehnsucht

Manchmal willst du nur jemanden, der so sehr in seiner Intuition ruht, dass er dir die Maske vom Gesicht reißt - jemanden, der nicht zurückweicht, wenn er die hässliche Fratze dahinter sehen kann. Der nicht zurückschlägt, wenn ich austeile, ein Fels, der standhält, stoisch, gleichmütig, nicht weich, sondern hart wie Beton, gegen den ich so lange anstürmen kann, bis ich verletzt und erschöpft zu Boden sinke und keine Mauer mehr steht und die Tränen endlich laufen dürfen, weil da nichts mehr ist, was sie zurückhält. Jemanden, der mein gesamtes Denken ausschaltet, weil ich darauf vertrauen kann, dass er führt, dass er das Geschrei in meinem Kopf verstummen lässt. Das Geschrei, die Panik, die ständige Kontrolle, das obsessive Regelwerk, die Rituale, die Beständigkeit, das Stahlskelett aus Disziplin und Kontrolle über alles, was Emotion ist. Der die darunter liegende Verzweiflung aushalten kann und der mich trägt. Diesen zerflossenen Haufen Mensch, der ich einmal werden sollte und der nie die Chance bekommen hat, in einem anderen Modus zu existieren als im Überleben.

Kati 03.07.2024, 18.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Agonie

Zu erschöpft. Zu erschöpft für alles.

Vielleicht kann ich irgendwann stolz auf diesen Tag sein, aber momentan ist da nur Müdigkeit und bleierne Schwere. Bin für mich eingestanden, ganz alleine. Habe beim Arzt geweint. Lange. Bitterlich. Habe ausgehalten, ohne in die Vergangenheit zu wechseln, obwohl die Betäubung nicht griff. Nach einer geschlagenen Stunde Kampf um ein bisschen Gnade in Form von Schmerzdämpfung: "Wenn ich gleich merke, dass der Zahn rauskommt, dann ziehe ich weiter, okay? Ich BRAUCHE dafür ihr okay." Das Adrenalin rauscht durch meine Adern und ich höre ihn kaum. Aber ja. Ja. Selbstwirksamkeit. Ich kann das. Ich habe die Wahl. Nur noch die nächste Minute aushalten. Nur 30 Sekunden. Nur 10 Sekunden. So wie ich früher gezählt habe. Nur einmal bis 10 zählen. Und dann nochmal. Nur noch einmal. Und noch einmal. 10 Sekunden kann jeder alles aushalten. Und nochmal. Ein Blut- und Tränenmeer. Heute war mir alles egal.

Der Kiefer schweigt seit 7 Wochen zum ersten Mal.

Kati 15.09.2022, 20.50 | (0/0) Kommentare | PL

Mein bester Freund, das Sofa

Ich dachte, nach der langen Grippeerkrankung nehme ich mir noch mal zwei, drei Wochen Zeit für eine große Muskelverletzung im Rücken. Ich verbringe meine Tage also entweder im Bett liegend, weil das die einzige Möglichkeit ist, schmerzfrei zu sein - oder ich sitze mit dem Hund auf dem Sofa und langweile mich zu Tode. Auf dem Sofa sitzen ist nach Im-Bett-liegen nicht mit solchen Schmerzen verbunden, dass ich mich vom Dach stürzen will, also verbringe ich dort ebenfalls sehr viel Zeit. Ich habe die Kinder genötigt, die xBox aus dem Partyzimmer wieder ins Wohnzimmer zu bringen, wo ich dann in Decken eingepackt Supermutanten erschießen, Sims heiraten lassen oder Challenges spielen kann. Meine Freuden im Leben...
Nach dem letzten Besuch beim Orthopäden und einer Spritze mit wirklich extrem langer Nadel, die munter in meinem Rücken herumstocherte, geht es langsam aufwärts. Betonung auf langsam, aber immerhin aufwärts.
Ich kann das Sofa allmählich nicht mehr sehen, ich möchte arbeiten, etwas tun, produktiv sein, aber so lange ich mich nach dem duschen oder staubsaugen erst mal ne Stunde hinlegen muss, weil ich so erschöpft bin, wird das noch nicht wirklich was.

Kati 11.11.2019, 12.00 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Lauf!

Ich bin bereit. Das Laufband setzt sich langsam in Bewegung. Nur ein bisschen. Das Knie meckert, heute nur langsam. Aber ich muss laufen, ich muss die Gedanken loswerden, die Albträume der Nacht abschütteln. Ich muss mich bewegen. Uve Teschner wird mir die nächste Stunde vorlesen mit dieser Stimme, die in mir eine Ruhe hervorruft, die ich sonst nur in der Nähe des Mannes empfinde. Ich laufe. Meine Gedanken wandern von der Grenze zwischen Thailand und Burma immer wieder in die nahe Zukunft. Ich muss mich einem Menschen stellen, den ich mehr als jeden anderen verabscheue. Von dem ich dachte, ihn nie wiedersehen zu müssen. Ich versuche, mich auf die Stimme in meinem Ohr zu konzentrieren und wieder in meine Geschichte einzutauchen. Vielleicht laufe ich einfach etwas schneller. Das Knie wird mitziehen müssen. Mir wird warm. Gut. Noch ein bisschen Steigung dazupacken. Nicht denken. Den Kopf frei laufen. Burma. Die Aufständischen. Mein Held mit einer Mission im Dschungel. Weiter gehts. Überall Drohnen. Gefahr von oben. Regen, Nebel und hohe Temperaturen. Ich werde schneller. Der Körper schreit nach Forderung. Das Knie ist noch stabil, auch wenn es weh tut. Ich bin in einer abgelegenen Hütte in der Nacht. Die Erinnerung trifft mich wie ein Schlag. Die Fesseln. Der Ledergürtel. Der Schmerz. Der unendliche seelische Schmerz, der niemals von der körperlichen Versehrtheit eingeholt werden kann. Niemals. Schneller! Lauf schneller! Die ersten Schweißperlen stehen auf meiner Stirn. Burma. Wir haben die Grenze überquert. Der Fluss. Wir müssen noch über den Fluss! Ein Drohnenangriff. Verletzte, Tote. Blut. Der Schweiß, der mir am Hals herabläuft, fühlt sich plötzlich an wie Blut. Das Blut von damals. Seine Schläge. Sein Lachen. Das Wissen um das, was kommen würde, jetzt wo er maximal erregt war. Ich schließe die Augen und laufe weiter. Schneller. Wir kümmern uns um innere Blutungen, aber es ist klar, dass hier noch mehr Menschen sterben werden. Meine Erinnerung vermischt sich mit den Hass- und Gewaltphantasien, die ich mir schon so lange Jahre versage. Der Hass ist roh und kalt. Ich will das nicht. Nebenan startet der Sportkurs und harte laute Rhythmen dringen hinter der Erzählung an meine Ohren. Die Bässe geben meinen Laufschritt vor, noch ein paar Minuten durchhalten, nur noch ein bisschen. Selbst Uve Teschners Stimme erhebt sich. Die Ereignisse im burmesischen Dschungel überschlagen sich. Ich will nicht mehr an ihn denken. Nicht mehr daran, wie ich mich nass und blutig und wund endlich in der Dunkelheit zusammenrollen konnte, die mich mit sanften Armen umfing. Jedes Mal. Ich habe jeden Verrat überlebt. So viel Schmerz. Ich will nicht mehr. Weiterlaufen. Schneller. Weiter. Nur weiter. Gegen den Schmerz. Gegen die Erinnerung. Gegen den Ekel. Gegen den Hass. Völlig erschöpft steige ich nach einer Stunde vom Laufband und trockne mit dem Handtuch mein Gesicht ab. Ich blicke darauf und sehe kein Blut. Es ist Schweiß. Nur Schweiß. Mein Herz pumpt und ich fühle mich leer. Leergelaufen, leergefühlt. Der Held der Geschichte hat das Schlimmste hinter sich und kämpft nun nur noch gegen die Versuchung. Enttäuschend, dass selbst ein gutes Buch diesen billigen Aspekt nicht auslassen möchte. Ich weiß, er wird scheitern. Wir alle scheitern irgendwann an unseren niederen Instinkten. Ich ziehe mich um, packe zusammen und gehe nach Hause. Weiter. Immer weiter.

Kati 16.07.2019, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Drei Jahre

Heute vor drei Jahren haben wir die schlechteste Entscheidung unseres Lebens getroffen.
Eine, die wir drei Jahre lang bitter bereut und teuer bezahlt haben.
Geistig, körperlich, seelisch.
In dem Bestreben, eine große glückliche Familie werden zu wollen, haben wir uns fast zugrunde gerichtet. Es war die richtige Entscheidung. Moralisch ohnehin - aber wir haben uns auch unserer Verantwortung gestellt, weil wir das wollten und aus tiefstem Gefühl heraus wussten, dass es das Richtige ist.
Ich würde diese Entscheidung in jener Situation immer wieder genau so treffen.

Leider war sie für alle Beteiligten falsch.
Wir haben zwei Jahre gebraucht, um mit viel Hilfe von Außen zu erkennen, dass auch das stärkste Wollen verhallt, wenn es auf das Nichts trifft.
Dass man auch mit dem Messer im Rücken rechnen muss, wenn man Herz und Heim öffnet.
Ein weiteres Jahr haben wir benötigt, um unser Leben wieder so weit auf Kurs zu bringen, dass wir überhaupt weitermachen können.
Verletzt, verwundet, mit schweren Verlusten, aber weiter.

Kati 13.04.2019, 21.00 | (0/0) Kommentare | PL

Sport Woche 10

9 Wochen Sport im Fitnessstudio habe ich hinter mir, Woche 10 hat begonnen.

Inzwischen sind alle Abläufe vertraut, die meisten Personen bekannt und ich muss mich auch nicht mehr zwingen, sondern gehe gerne und fast automatisch dorthin.
Der Stolz ist geblieben.
Meine Haltung hat sich inzwischen auch für Außenstehende sichtbar verbessert, meine Muskulatur wächst spürbar und ich fühle mich insgesamt deutlich besser.
Die Kyphose der Halswirbelsäule ist so gut wie verschwunden - etwas, das vor 6 Monaten weder ich noch mein Orthopäde gedacht hätten.
Dauerhaft verschwunden sind auch Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle, Panikattacken und der Schwindel.
Keine so schlechte Bilanz für diese Zeit...

Das Gewicht rührt sich nicht vom Fleck, aber das wird auch noch. Ziel ist weniger Gewicht auf ein deutlich verbessertes muskelgestütztes Knie, damit ich die nächsten 20 Jahre bis zum neuen Kniegelenk noch einigermaßen gut überstehe.
Das Knie ist auch nach wie vor das Einzige, das richtig viel und richtig schmerzhaft Probleme bereitet.

Ich arbeite dran, dass auch das läuft.
[Achtung, schlechter Wortwitz.]

Kati 09.04.2019, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Instagram

Vor einigen Monaten habe ich Instagram für mich entdeckt. War dies bislang für mich nur der Tummelplatz der Selbstverliebten, blieb meine Faszination irgendwann an der Überschaubarkeit eines einzelnen Lebens hängen.
Und neben Blog und privatem Tagebuch und Fotoordnern auf meinem Computer, die mir allesamt helfen sollen, nicht allzu tief im schwarzen Loch der Depression zu versinken - wenngleich dies manchmal auch nur retrospektiv gelingt - war Instagram so herrlich einfach gestrickt.
Handyfoto eines speicherwürdigen Augenblicks, kurzen Text oder auch nicht, bäm! - Erinnerung gespeichert.
So visuell, so verfügbar, so barrierefrei, dass selbst im dunkelsten Schwarz der kleine Lichtblick am Tag, der Moment der Überwindung, der Triumph über die Herausforderung Leben noch festgehalten werden kann.
Und so fing ich an, mir dieses Portal zunutze zu machen.
Gegen das Tief, gegen die Schwärze, gegen das Vergessen des Lichts.
Und an Tagen wie heute kann ich mich im Bett verkriechen, das Handy unter der Bettdecke anschalten und kann die Bilder durchgehen, noch während ich in der Dunkelheit festsitze.
Sehe das, was mich bewegt. Wofür ich dankbar bin. Das Schöne, das Helle, das Wunderbare in meinem Leben. Denn es existiert.

Kati 02.04.2019, 15.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Die Fitness-Sache

Konnte ich vor einem Monat noch kaum laufen, weil das Knie seit Ende Oktober so weh tat und der ganze Rücken verzogen und die Wirbel verdreht waren, habe ich am Montag Woche 3 im Fitnessstudio begonnen. 5 Mal pro Woche je 60 Minuten Laufband und Geräteturnen für die Muskeln. Dazu immer noch Physiotherapie, um die neuen besseren Bewegungsabläufe unter Kontrolle zu erlernen. Und was soll ich sagen? Es läuft. Mein Trainingsbuddy, der 30 Jahre älter ist als ich und ohne zu schnaufen das 4fache meiner Gewichte stemmt, sorgt für den nötigen Wettbewerbsgedanken.
Anonsten hätte ich vor zwei Monaten noch Stein und Bein geschworen, dass ich (ich!) niemals (nie.im.Leben!) in einem Fitnessstudio irgendetwas tun würde. 
Tja. Erstens kommt es anders... 

Das Knie ist inzwischen stabil, wenn auch empfindlich, was ungewohnte Bewegungen oder Anstrengungen angeht. Aber ich schreie nicht mehr fast vor Schmerzen, wenn ich Treppen laufe oder mich drehe.

Und das tiefe schwarze Loch hat endlich einen sichtbaren Rand bekommen.
Geht gerade so, das Leben.

Kati 20.02.2019, 12.00 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Aufwärts

Die Erkenntnis, wie weit ich im Grunde genommen seit meinem nervlichen und körperlichen Zusammenbruch im Sommer gekommen bin, hat mir heute mein Orthopäde vor Augen geführt. Er las mir alle Beschwerden vor, die ich im September nach der Katastrophensituation mit der Tochter angegeben hatte.

Panikanfälle, Luftnot, Schwindelattacken, Angst, Mutlosigkeit, Depression, Muskelkrämpfe, Lähmungen, Kribbeln, Taubheit, chronische Schmerzen.

Bei jedem Punkt hat er mich gefragt: "Und wie ist das heute? Jetzt gerade?" 

Und ich konnte bis auf einen verkackten Punkt alle anderen verneinen.
Alle.Anderen.
Rückschläge verunsichern mich zwar noch stark, aber da ich einmal in der Woche dort bin und gute Rückmeldungen als auch meinen eigenen Anteil daran schonungslos vor Augen geführt bekomme, lerne ich langsam, etwas besser damit umzugehen.
Ich bin im Training, ich habe Spaß daran, ich glaube endlich daran, dass es aufwärts geht.
Auch wenn es weh tut. Körperlich und seelisch.
Auch ohne meine Tochter.

Sie hat ihre Wahl getroffen und ich werde damit leben können.

Kati 11.12.2018, 22.00 | (0/0) Kommentare | PL

"Schöner Scheiß."

Das war vor zwei Wochen verständlicherweise nicht unbedingt das, was ich eigentlich von einem Arzt beim Blick auf die Röntgenbilder meiner Wirbelsäule hören wollte. Aber rückblickend betrachtet war genau das vielleicht das Richtige.
Eine Woche liegt hinter mir, in der ich statt 56 Mal Schmerzmittel genau 3 Mal Schmerzmittel genommen habe. Und dann auch noch nicht mal das, bei dem man blaue Einhörner sehen kann/darf/muss.
Anzahl der Angst- oder Panikattacken wegen drohendem Schwindel: Null.
Anzahl der Möglichkeiten, in denen ich schmerzfrei sitzen konnte: Einige.
Heute also erneute Sitzung beim Orthopäden, erneutes Vermessen, schieben, drücken, ziehen.

Ich habe endlich wieder das Gefühl, meine Beine sind gleichlang, die Hüft-, Kreuzbein-, Knie-, Schulter-, Nackenschmerzen sind ein weiteres Mal weniger geworden und trotz vollem Terminkalender heute gab es keinen Nervenzusammenbruch, kein Das-ist-mir-alles-zuviel-Gefühl, keinen Stress, nichts.

Ja, der Weg ist noch weit.
Aber ich kann ihn endlich sehen.

Kati 04.10.2018, 18.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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