es ist gerade etwas seltsam hier.
Vor 11 Tagen habe ich noch mehr als sonst an dich gedacht, weil wir da den ersten Geburtstag des kleinen Eisbären, der mal ein Hund werden möchte, gefeiert haben und dieser so schicksalsträchtig auf deinem Geburtsdatum liegt.
Der Kirschbaum war an diesem Tag voller Knospen, wie jedes Jahr.
Und wie jedes Jahr wird er in 5 Tagen - an deinem Todestag - in voller Blüte stehen.
Du bist in diesem Jahr 11 Jahre tot und immer noch so lebendig für mich wie du es immer warst.
Ich würde dir so gerne von deinem Sohn erzählen und davon, wie er seinen Frieden findet und wie ich meinen Frieden mit ihm mache, aber das weißt du vermutlich längst.
Der psychopathische Mann im Anzug, vor dem du mich beschützt hast, aber nie retten konntest, der ist schon lange weg. Wir schaffen gerade etwas Neues, das ich bislang nur aus der Beziehung mit dir kenne. Ich frage mich, wie er so viele Jahrzehnte ein Leben leben konnte, das anscheinend so wenig seinen innersten Bedürfnissen entsprochen hat.
Und ich glaube, da liegt viel in deiner Verantwortung. Nicht Schuld. Aber Verantwortung.
Du warst immer so stolz darauf, dass er sein Leben lang verleugnet hat, was er wirklich wollte: Natur, Abgeschiedenheit und seine Ruhe. Natürlich hat ihn die Chemie interessiert, aber eher das Bombenbauen. Nicht der Teil mit Anzug, Vorstandsetage und internationalen Verhandlungen.
Den wolltest nur du für ihn. Und darauf warst du mehr als stolz. Das bessere Leben, das du immer für ihn wolltest, das hat er gelebt. Mit Luxus, Reichtum, Ansehen, perfekter Familie. Und es hat ihn unglücklich gemacht.
Inzwischen lebt er allein im Wald. Mit minimalen sozialen Kontakten. Mitten in der Natur. Versorgt sich selbst, hat seine Ruhe und ist ... glücklich. Ich wünschte so sehr, du könntest ihn so erleben. Und ich frage mich, ob dich das stolz machen würde. Oder ob das bessere Leben, das du für ihn wolltest, diesen Aspekt nie vorgesehen hatte.
Er war in all seinem Unglück ein sehr schlechter Vater. Und ich glaube, du warst ihm auch einer.