Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Briefe

Meine geliebte Kriegerin.

Du bist eine Naturgewalt.
Für dich gibt es keine Zwischentöne, keine Abstufungen.
Es gibt schwarz und weiß.
Laut und leise.
Alles oder nichts.
Das ist das, was dich ausmacht.
Du bist ein Mensch, der für Superlative erschaffen wurde und lernst gerade erst, mit deinem enormen Potential im Guten wie im Schlechten umzugehen.

Ich habe von dir geträumt, als ich dich noch unter dem Herzen trug.
Ich habe dein Gesicht gesehen – wie es heute aussieht.
Ich habe dich erkannt.
Ich habe die riesengroße Amazone einen Berg hinunterstürmen sehen, mit einem durchtrainierten muskulösen Körper, langen flammenroten Haaren, das Schwert erhoben, bereit zum Kampf und mit gleichzeitig unbändiger Lebensfreude, dass ich aufgewacht bin und deinen Namen kannte.
Da war kein Platz mehr für Zweifel.
Das warst du und nichts anderes würde dir gerecht werden können.
Du trägst den Namen eines ganzen schottischen Kriegerclans und dein Zweitname bedeutet narbenfarben.
Den dritten Namen teilst du dir mit all deinen Geschwistern und ich hoffe, dass euer Band euch später tragen wird, wenn wir nicht mehr sind.

Als meine Wehen stärker wurden, mitten in der Nacht, hörte man immer lauter werdendes Grollen in der Ferne. Das aufziehende Gewitter ließ die Natur im Takt meiner Wehen aufbrüllen.
Der Kreißsaal war dunkel, die Fenster weit geöffnet, der Regen peitschte auf die Erde  - und Blitz, Donner, Sturm und die feste, leise Stimme deines Vaters trieben mich voran.
Immer mit dem Schmerz, jede Wehe ein Ja zu dir, ein Ja zum Leben. Du kannst das, du schaffst das, gleich ist unser Baby da, dazu das Trommeln des Regens auf dem Dach, die kurzen Lichtblitze und das gewaltige Getöse des Donners.

Du bist mitten in den Sturm geboren worden und es hätte keinen passenderen Empfang für dich auf dieser Welt geben können.

Du warst immer schon ein Dickkopf, du hast nie gefragt, du hast dir genommen. Die Welt gehörte dir, von Anfang an. Das tut sie heute noch, auch wenn du gerade strauchelst.
Du spürst die Dunkelheit und weißt kaum, wie du sie bewältigen sollst. Gemessen an dem Licht, das du in dir trägst, muss sie gigantisch sein.
Ich fühle, dass du weder das Eine noch das Andere gerade tragen willst.

Wir sind an deiner Seite. Wir gehen mit dir, wir tragen dich, wenn du nicht mehr kannst, sind wir da. Es fällt dir gerade schwer, das Leben als Geschenk zu sehen und ich versuche, mich von diesem Schmerz nicht zerreißen zu lassen.
Bemühe mich, die Wunden, die du schlägst, nicht als Angriff zu sehen sondern als Verteidigung zu verstehen.

Ich glaube, dass Transformation immer schmerzhaft ist.
Und wenn wir in ein paar Jahren zurückblicken, dann hoffe ich, dass wir lächeln und verstehen, warum das so sein musste.

Ich liebe dich. Immer.

Kati 03.06.2022, 08.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Heute

Heute vor 17 Jahren haben wir uns unter klarem Sternenhimmel das erste Mal gesehen, das erste Mal berührt, das erste Mal geküsst.

Heute vor 16 Jahren hielten wir unseren ersten Sohn in den Armen, den ich in deine Hände geboren habe.

Heute vor 15 Jahren haben wir geheiratet.

Heute vor 14 Jahren trug ich schwer an unserer zweiten Tochter, die in einigen Tagen zur Welt kommen würde. Die Gedanken an ein eventuell weiteres totes Kind überschatteten alles.

Heute vor 13 Jahren hatte ich dich beim schwersten Gang meines Lebens an meiner Seite, als ich die Urne meines Großvaters über den Friedhof trug.

Heute vor 12 Jahren haben wir beschlossen, dass wir es nach all den weiteren Fehlgeburten nicht weiter versuchen würden. Wir waren komplett mit zwei gemeinsamen lebenden Kindern.

Heute vor 11 Jahren trug ich einen kleinen Menschen unter meinem Herzen, den unsere Pläne nicht interessiert haben.

Heute vor 10 Jahren hatten wir die schlimmsten Monate der schwärzesten Depression meines Lebens nach der Geburt vom Butz fast hinter uns. Es war wieder so etwas wie Licht zu erkennen.

Heute vor 9 Jahren waren wir endlich in unserem echten Zuhause angekommen. Ein Haus mit Garten, ein Rückzugsort, perfekt, nur für uns. Unsere Burg.

Heute vor 8 Jahren begannen die dunkelsten Jahre unserer Beziehung. Wir haben aufs Schmerzhafteste all unsere Werte auf den Prüfstand gestellt und sind durch ein tiefes Tal geschritten, in dem sich Wahrheit, Schmerz und Hoffnung blind auf die Liebe verlassen mussten, die uns getragen hat.

Heute vor 6 Jahren standen wir mitten in den Vorbereitungen, zwei völlig entfremdete und hasserfüllte Kinder in unseren Haushalt aufzunehmen.

Heute vor 5 Jahren bestand unsere Familie aus 9 Personen – wir hatten Uroma aus dem Pflegeheim zu uns nach Hause geholt, um die letzten Monate für sie in Würde gestalten zu können.

Heute vor 4 Jahren begann das Lügenkonstrukt des zweiten Kindes über uns zusammenzubrechen.

Heute vor 3 Jahren haben wir Asgard abgeholt. Als Zeichen der Hoffnung, als Trost, als Begleitung aus der Trauer über den Verlust meines großen Kindes.

Heute vor 2 Jahren haben wir die letzten Dinge in die Wege geleitet, um unser Familienleben wieder so zu gestalten, wie das für uns gut ist.

Heute vor einem Jahr haben wir nach unendlich langer Durststrecke das erste Mal auch finanziell wieder Luft holen dürfen. Freiheit spüren.

Heute sind es 17 Jahre. Das ist viel Zeit. Wir haben jede Emotion durchlebt, wir sind jeden Weg gemeinsam gegangen, wir haben jeden Streit ausgefochten und wir sind an einem Punkt, an dem wir keine Masken mehr tragen müssen und das auch schon lange nicht mehr wollen.
Du hast mir gezeigt, was Liebe tragen, aber auch erdulden kann.
Du hast mir gezeigt, wie hoch man fliegen kann, wenn es jemanden gibt, der Zuspruch schenkt.

Du machst, dass ich jeden Morgen aufwache und ein besserer Mensch sein will als am Tag zuvor.
Ich bewundere deine Intelligenz, deine Stoik, deinen Pragmatismus, deine Seelenruhe, deinen Humor und ich bete deinen Körper an. 
Du bist auch 17 Jahre nach der ersten Berührung noch ein Satyr, der mir ohne jedes Tabu jede Form von Freude schenkt, die ich empfinden kann. 

Mein dunkler Engel. Gefallen, wiederauferstanden. 
Die Wahrheit, die wir uns zumuten, ist absolut. 
Ich würde nie wieder anders leben wollen als so. Mit dir.

Ich liebe dich.

Kati 30.05.2022, 12.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Mein geliebtes großes Tochterkind.

Ich schreibe dir hier, weil du es so nicht lesen wirst.
Ich habe in den letzten dreineinhalb Jahren unzählige E-Mails, Briefe, WhatsApps geschrieben. Immer auch um den unendlichen Schmerz in meinem Herzen kreisend, den ich einfach nicht unter Kontrolle bekomme. Worte, auf die du nie antworten wolltest. Du hast dich allem entzogen, was deinem ganz persönlichen Neuanfang nicht dienen wollte.
Ich arbeite daran.
Seit Jahren.
Mit Hilfe.
Allein.
Laut.
Stumm.
Er wird nicht kleiner. Der Schmerz verstummt nur in stiller Resignation zwischen den Tagen, an denen er an die Oberfläche taucht und schier nicht auszuhalten ist. So wie heute. Ich habe gestern die letzte Nachricht an dich gelöscht, die ich geschrieben habe. Dort stand zu viel Herz. Zu viel Schmerz. Will dich nicht bremsen, nicht runterziehen. Du hast mit uns schon längst abgeschlossen – wer bin ich also, dich immer daran zu erinnern, dass der farbenprächtig funkelnde Palast deines jungen Lebens auf den Scherben einer ganzen Familie gebaut ist? Dieser Gedanke ist unfair und ich weiß das. Darum belästige ich dich nicht mehr mit mir, mit meinen Gefühlen, mit meinem Schmerz. Es reicht, wenn ich ihn trage. Die Mutter, die du verlassen hast, bin ich längst nicht mehr. Aber wen interessiert das, nicht wahr?

Was tut man, wenn einer fertig mit der Aufarbeitung ist und der andere nicht? Es gibt keine Lösung. Meine einzige Strategie, dies hier nicht in deinen Rucksack zu packen, ist Schweigen. Das packt ein anderes Gewicht in dein Reisegepäck, aber mir scheint es erwünschter. Ich schreie meinen Schmerz schon lange nicht mehr in die Welt, auch wenn der Sturm tobt. Die Trauer. Ich habe dich verloren und nichts, aber auch gar nichts wird dich zurückbringen. Die Zeit hat das ihre getan und inzwischen bist du erwachsen und die Zeit, die wir verloren haben, ist unwiederholbar. Es bleibt nur Akzeptanz.

Es wird das vierte Weihnachten ohne dich.
Irgendwann wird das nicht mehr weh tun.
Irgendwann.

Kati 14.12.2021, 08.00 | (4/0) Kommentare (RSS) | PL

Meine Kriegerin.

Deine Tage versinken in Dunkelheit.

Ich sehe dich, ich spüre die Last, die du mit dir trägst, obwohl du sie kaum in Worte fassen kannst.

Das Leben ist nicht mehr schön, es ist nicht mehr lebenswert und die Momente, die wir uns schaffen, tragen dich immer nur kurz.
Ich habe Angst, dich zu verlieren.
Du bist mein Herz, mein Leben, das Salz auf meiner Haut.

Du verkörperst die dunkle Triade wie kein anderer Mensch, den ich kenne.
Manchmal sehe ich mein Spiegelbild so deutlich in dir, dass es mir fast körperlich weh tut.
Ich sehe, dass du kämpfst.
Ich weiß, dass du dich noch gegen die Macht, die damit einhergeht, wehrst.
Und ich kenne den Strudel, der dich erfassen wird, wenn du an den Punkt kommst, dieses Geschenk mit beiden Händen auch ergreifen zu wollen.
Nicht um der Dunkelheit, sondern um des Lichtes Willen, das sich dahinter verbirgt.

Aber um das Licht sehen zu können, muss man sich der Schwärze ganz stellen. Mit allem, was man hat. Mit allem, was man ist. Ganz oder gar nicht. Es ist der Tanz auf dem Vulkan, der auf allen Seiten nur Abgrund kennt.

Aber noch ist es zu groß, zu mächtig, zu angsteinflößend und kaum zu kontrollieren. Deine Hormone fahren Achterbahn, du wirst fast zerrissen zwischen Sehnsucht, Wut, Einsamkeit, Liebe und Hass. Diese Dinge passen nicht gut zueinander für dich und ich würde dir so gerne versichern, dass sie das tun. Aber ich weiß auch, welcher Kampf vor dir liegt. Jeden Tag aufstehen gegen die Versuchung, die in den Schatten liegt.
Du verletzt dich selbst, um all das zu ertragen, um ausharren zu können, um dem alles überwältigenden Drang nicht nachzugeben, anderen Wesen Schmerzen zuzufügen, während du eigentlich nur all deine Wut herausbrüllen und alles vernichten willst.

Du bist größer als das alles.
Du darfst straucheln.
Du darfst fallen.
Und solange du mich lässt, werde ich dir wieder aufhelfen.

Du bist eine Naturgewalt.
Geboren mitten in die Dunkelheit, als nur die Blitze den Kreissaal erhellten, während der Donner im Takt meiner Wehen deine und meine Welt erschütterte.
Kraftvoll, alles verzehrend, einzigartig und ich liebe dich so sehr.

Du bist der Sturm.

Kati 18.10.2021, 12.00 | (5/0) Kommentare (RSS) | PL

Mein geliebtes Kind.

Herzlichen Glückwunsch zum 15. Geburtstag.

Vor 15 Jahren spürte ich, wie meine Fruchtblase riss.
Du wolltest geboren werden, mit aller Kraft.

Ich rief deinen Vater an, der bei der Arbeit alles stehen und liegen ließ und nach Hause eilte. Während der Wehen schaukelte ich deine beiden Geschwister auf dem Schoß, hielt sie fest, hielt mich an ihnen fest, summte ein Lied nach dem anderen, bis dein Vater da war.

Es war keine Zeit mehr für das Krankenhaus, ich gebar dich in meine eigenen Hände und du warst so winzig und unendlich perfekt.

Meine größte Angst war, dass du in der Kälte würdest sterben müssen, aber dein Herz hörte bereits in der Geborgenheit und Wärme meines Körpers auf zu schlagen.
Das war der letzte Dienst, den ich dir erweisen konnte und für mich der Wichtigste.

Dein Leben im Schutz meines Körpers dauerte nur wenige Monate und du warst geliebt, ersehnt, von ganzem Herzen gewollt.

Du trägst drei Namen, wie alle unsere Kinder.
Auch du teilst dir den dritten Namen mit allen deinen Geschwistern.

Deine Geburtsurkunde in unserem Familienstammbuch zeigt klar und deutlich, dass du da warst.

Du warst da. Und du hast tiefe Spuren in unseren Herzen hinterlassen.

Ich wünschte nur, man hätte uns ein wenig mehr Zeit geschenkt.

Kati 28.09.2021, 06.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Lieber Schwiegervater,

als wir uns das erste Mal trafen, war ich 18 Jahre alt und hatte gerade heimlich deinen 26jährigen Sohn geheiratet. Ich war ein Akt des Aufbegehrens gegen dich, das habe ich später verstanden.
Und was für einer.
Wir fochten von Beginn an auf einer ganz eigenen Ebene. Ich stand für alles, was deine gutbürgerlichen Pläne für deinen Sohn vereiteln würde und das hast du mich deutlich spüren lassen. Einer deiner ersten Sätze zu mir lautete: „Dein Platz ist in der Küche.“. Und ich sagte: „Nein.“ Und du hast mich fassungslos angestarrt. Weil das etwas war, was nicht sein durfte in deiner Welt.
Und ich hielt deinem Blick stand.
Immer.
Trotzig, provozierend, arrogant und voller Leidenschaft.
Jeden deiner Hiebe habe ich pariert und im Laufe der Jahre wich unsere Härte gegeneinander einer leisen Form von gegenseitigem Respekt. Ob wir Augenhöhe erreicht haben, wage ich zu bezweifeln. Aber ich habe mich bemüht.

Als ich deinen Sohn endgültig verließ, standen wir nachts in der Dunkelheit und schwiegen gemeinsam.
Du wandtest dich zu mir um, hieltst die Arme auf und fragtest: „Ein letzter Tanz?“.
Als unsere Körper sich berührten, ahnte ich für einen winzigen Moment, wie sich erwachsene Männlichkeit anfühlen würde. Selbstsicherheit, Führung, Wissen.
Die Luft brannte.
Es war, als würde sich der jahrelange Kampf zwischen uns in diesem einzigen Moment entladen. Wir tanzten auf der schmalen Schneide zwischen unseren Sehnsüchten und unseren Verpflichtungen.
Du warst es, der nach einer gefühlten Ewigkeit zurücktrat und Lebewohl sagte.

Nun geht deine Reise weiter.

Heb mir einen Tanz auf, wenn wir uns wiedersehen.

Kati 01.08.2021, 22.00 | (0/0) Kommentare | PL

Du.

Vor 16 Jahren durfte ich das erste Mal die andere Hälfte meiner Seele berühren. Wir sind uns nachts das erste Mal begegnet, Dunkelheit um und den klaren Sternenhimmel über uns.

Vor 14 Jahren haben wir unser Versprechen aneinander auch offiziell gemacht.

Wir haben schon so unendlich viel erlebt.
Schönes.
Unschönes.
Sind miteinander erwachsen geworden.
Es gab Zeiten, in denen ich dich so tief gehasst habe wie ich dich liebte.

Wir haben gute Entscheidungen getroffen und auch schlechte. Jeder für sich, miteinander, manchmal Rücken an Rücken, mal Seite an Seite, aber immer beieinander.

Du kennst meine dunkelsten Geheimnisse.
Den tiefsten Schmerz, meine ungezügelte Wut.
Das Kind in mir genau wie den Wolf, der mir das Überleben erst ermöglicht hat.

Du erträgst den Abstand, den ich brauche. Bietest mir Nähe, ohne sie jemals zu fordern.
Bist stark genug, mir ein echter Gegner zu sein.
Souverän genug, meine Dominanz und meinen Besitzanspruch auszuhalten.
Weich genug, mich zu trösten.

Dein Verstand reibt sich an meinem, dein Körper antwortet nur mir.
Du treibst mich zur Weißglut, zu Wollust, zur Verzweiflung, in den Wahnsinn.
Kennst alle meine Knöpfe und drückst sie trotzdem nur, wenn ich das erlaube.

Du bist mein dunkler Engel.
Mein Wächter auf der Mauer.
Der Einzige, der auf beide Seiten sehen darf. 

Ich liebe dich.

Kati 30.05.2021, 18.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Lieber Opa,

herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

94 Jahre würdest du heute alt werden.

Der Kirschbaum hat wie immer an deinem Geburtstag die ersten Blütenknospen, um an deinem Todestag in 16 Tagen in voller Blüte zu stehen.

Ich vermisse dich. Immer noch. Ich weiß nicht, ob das jemals besser wird.
Niemand, der geliebt wird, ist wirklich tot. Und du wirst geliebt. Du bist lebendig. In meiner Erinnerung, in meinen Erzählungen, in dem, was ich den Kindern weitergebe. Und doch vermisse ich dich so sehr.

Vor zwei Jahren trat ein weiterer Hund in mein Leben, der Trottelige, du weißt schon. Ich wünschte, du hättest ihn noch erleben können. Du hast Hunde so verehrt, auch wenn du dir nie einen erlaubt hast.
In dem Moment, in dem ich gesehen habe, an welchem Tag er geboren wurde, wusste ich, dass er für mich ist.
Und er erinnert mich jeden einzelnen Tag so sehr an das, was du mir vermittelt hast. Dass das Leben nicht planbar ist. Nicht berechenbar. Dass man es nehmen muss, wie es kommt. Dass man Feste feiert, wie sie fallen. Dass Spaß ein Grund ist, etwas zu tun. Dass Liebe nichts mit Leistung zu tun hat. Das. Vor allem das ist etwas, das ich nur durch dich gelernt habe.

Ich wäre nicht der Mensch, der ich sein wollte, wenn es dich in meinem Leben nicht gegeben hätte.
Du warst so unperfekt, so fehlerhaft, so menschlich.
Und du hast mich geliebt. Unendlich. So wie ich dich geliebt habe. Das war lange Jahrzehnte die einzige Sicherheit, die es in meinem Leben gab.

Wenn ich aus meiner Kindheit und Jugend irgendetwas benennen sollte, das den entscheidenden Unterschied gemacht hat, dass ich nicht zu dem irren Psychopathen wurde, zu dem ich gemacht werden sollte, dann würde ich deinen Namen sagen.
Du warst meine Insel.
Die Burg in meinem Inneren, in der mein Kind Zuflucht fand.

Ich liebe dich.

Kati 03.04.2021, 16.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

18

Meine Tochter.

Ich habe dich mein ganzes Leben lang ersehnt.
Dich geliebt, lange bevor du geboren wurdest.

Heute wirst du 18.
Volljährig. 

Du bist der schönste Mensch auf dieser Welt, dein Lachen klingt wie Musik in meinen Ohren, dein Herz ist groß und voller Neugier auf und voller Liebe für dieses Leben.

Dein erster Name für deinen Körper bedeutet Anmut – und du tanzt tatsächlich voller Eleganz und Anmut durch dein Leben, willst es zu deinem Beruf machen. 

Dein zweiter Name für deinen Geist bedeutet Weisheit – du vereinst unendlich viel Wissen, Gaben und Talente in dir, besitzt einen hellwachen und scharfen Verstand mit einer großen Portion Mitgefühl.

Dein dritter Name für deine Seele bedeutet Stein, der brennt – und er könnte passender nicht sein. In dir lodert ein Feuer, ganz tief und es brennt hell und heiß, aber nicht alles verzehrend. Niemandem ist es möglich, diese Flamme zu ersticken, vergiss das nicht. 

Was ich dir wünsche? 

Flieg hoch - so hoch du kannst.
Hör immer auf deinen Bauch.
Bereue nichts.


Kati 04.09.2020, 08.20 | (0/0) Kommentare | PL

Lieber Opa,

es ist gerade etwas seltsam hier.
Vor 11 Tagen habe ich noch mehr als sonst an dich gedacht, weil wir da den ersten Geburtstag des kleinen Eisbären, der mal ein Hund werden möchte, gefeiert haben und dieser so schicksalsträchtig auf deinem Geburtsdatum liegt.
Der Kirschbaum war an diesem Tag voller Knospen, wie jedes Jahr.
Und wie jedes Jahr wird er in 5 Tagen - an deinem Todestag - in voller Blüte stehen.
Du bist in diesem Jahr 11 Jahre tot und immer noch so lebendig für mich wie du es immer warst.

Ich würde dir so gerne von deinem Sohn erzählen und davon, wie er seinen Frieden findet und wie ich meinen Frieden mit ihm mache, aber das weißt du vermutlich längst. 

Der psychopathische Mann im Anzug, vor dem du mich beschützt hast, aber nie retten konntest, der ist schon lange weg. Wir schaffen gerade etwas Neues, das ich bislang nur aus der Beziehung mit dir kenne. Ich frage mich, wie er so viele Jahrzehnte ein Leben leben konnte, das anscheinend so wenig seinen innersten Bedürfnissen entsprochen hat.
Und ich glaube, da liegt viel in deiner Verantwortung. Nicht Schuld. Aber Verantwortung.

Du warst immer so stolz darauf, dass er sein Leben lang verleugnet hat, was er wirklich wollte: Natur, Abgeschiedenheit und seine Ruhe. Natürlich hat ihn die Chemie interessiert, aber eher das Bombenbauen. Nicht der Teil mit Anzug, Vorstandsetage und internationalen Verhandlungen.

Den wolltest nur du für ihn. Und darauf warst du mehr als stolz. Das bessere Leben, das du immer für ihn wolltest, das hat er gelebt. Mit Luxus, Reichtum, Ansehen, perfekter Familie. Und es hat ihn unglücklich gemacht.

Inzwischen lebt er allein im Wald. Mit minimalen sozialen Kontakten. Mitten in der Natur. Versorgt sich selbst, hat seine Ruhe und ist ... glücklich. Ich wünschte so sehr, du könntest ihn so erleben. Und ich frage mich, ob dich das stolz machen würde. Oder ob das bessere Leben, das du für ihn wolltest, diesen Aspekt nie vorgesehen hatte. 

Er war in all seinem Unglück ein sehr schlechter Vater. Und ich glaube, du warst ihm auch einer.

Kati 14.04.2020, 18.00 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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