Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Vom Leben und Sterben

Erbsenstein

Die Träume sind wieder da.

Seit einigen Wochen nun schon setzen sie sich dunkel, verstörend und destruktiv in meinen Nächten fest.
Nächte, die nicht mehr erholsam sein können. Nächte, die gefürchtet sind, wenn die Stunde naht. Träume, aus denen ich schweißgebadet aufwache, voller Panik, Angst und Hass. Schwärend.

Vor vier Tagen ist nun mein geliebtes Tier gestorben, das mir in den Stunden mit der Nase in seinem steingrauen Fell so viel Frieden schenken konnte, seit unser Leben nicht mehr unseres ist.

Immer noch oben drauf, immer noch mehr, immer schwerer, immer tiefer.

Seit vier Tagen brennt die Kerze ununterbrochen.
Trotz Sturm, Regen und Hagel.
Vier Tage, seit wir ihn in sein nasses, dunkles Grab gelegt haben.
Vier Tage schon.
Vier Tage erst.

Ich mag nicht mehr in den Stall zu den anderen Tieren gehen.

Mir fehlt das Grau.

Kati 19.11.2016, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Das andere Ende

"Kind, ich bin soweit, dass ich jetzt sterben kann. Aber das Leben lässt mich ja nicht."

Sie seufzt. Ich seufze mit. Was soll ich auch schon sagen?

Oma, ich möchte nicht, dass du stirbst? Wie bescheuert.
Natürlich möchte ich nicht, dass sie stirbt, aber wer bin ich, dass ich mich darüber erhebe, was für sie das Richtige ist?
Das Leben ist für sie nicht mehr lebenswert und das ist ihre ganz persönliche Sache, die ich respektiere. Zu einem selbstbestimmten Leben gehört auch ein selbstbestimmter Tod.
Ja. Leider geht das nicht immer so, wie man sich das vorstellt.

"Meine Nachbarin, die ist ja einfach gesprungen. Natürlich haben sie uns gesagt, es war ein Unfall. Aber wie unbeabsichtigt kann man über ein Geländer klettern und aus dem Fenster springen? Naja, ist auch nicht verkehrt. Aber ne Riesensauerei." Ich muss schmunzeln. Ja, das ist eher nichts für meine Großmutter. Alles, was mit einer Sauerei verbunden ist, scheidet schon mal aus.

"Aber jedesmal wenn ich mich hinlege und mir vornehme, ich sterbe jetzt - was glaubst du, was dann passiert? Genau. Ich wache einfach am nächsten Morgen wieder auf. So ein Schiet."
Ich lache laut los.
Wir diskutieren ausführlich über verschiedene Sterbearten und über das Altwerden im Allgemeinen und über ihre grauenhaften Mitbewohner im Heim.

Das Übliche und ich spüre, wie ihre Stimmung sich etwas aufhellt. Sie fragt nach den Kindern.
Ich erzähle aus unserem Alltag und von unseren Problemen und den Fortschritten, die wir machen.
Sie lauscht andächtig, fragt zwischendurch immer wieder nach und ich höre, wie sehr sie Anteil nimmt.

Es ist so furchtbar, dass sie soweit weg wohnt.
Wir haben so viele Möglichkeiten durchdacht, aber wir schaffen es einfach nicht, sie hierhin zu holen.
Ein Heim in der Nähe wäre nicht das Richtige und ein Platz hier zuhause ist kaum realisierbar.
Selbst wenn wir es emotional schaffen würden, was in unserer momentanen Situation auch schon fraglich ist - der Umbau wäre zu umfangreich, um ihn bezahlen oder selbst realisieren zu können. Der mangelnde Platz ist ein weiteres Problem.

Ich seufze erneut. Sie seufzt mit. "Ach Kind."

"Ach Oma.", sage ich und sie summt ein bisschen, wie ich es schon aus Kindertagen von ihr kenne.

Mir tut das Herz weh. Ich weiß, worauf sie wartet.
Sie wartet auf meinen Vater.
Und ich weiß, dass sie vergeblich auf ihn warten wird.

Kati 22.09.2016, 07.00 | (0/0) Kommentare | PL

Alles hat seine Zeit

Das Leben hat ein verdammtes Scheiß-Händchen für Bühnenbild und Beleuchtung.
Es ist früh, es ist kalt, wir stehen auf einer Bergspitze inmitten all unserer Kinder unter freiem und strahlend blauem Himmel.
Der Ausblick ist atemberaubend und die Sichtweite endlos.
Es ist das Leben. Pur, klar, rein.
Und in all dem Gekreische und Gejohle schrumpft unsere Welt plötzlich auf unsere beiden Augenpaare zusammen.
Ich sehe in Augen, wie ich sie grauer und schmerzerfüllter noch nie gesehen habe.
"Du hast zwei Kinder dazubekommen?" Ich nicke.
"Sie hat es nicht geschafft?" Ich schüttle stumm den Kopf.
"Ich muss auch bald sterben", sagt sie leise und ich kann sie nur fassungslos anblicken.
Das Blut rauscht durch meine Adern und ich höre nur noch meinen Pulsschlag und sehe nur noch ihre Tränen.
"Nein.", ist das Erste, das ich sage, "Deine Zeit ist noch nicht gekommen."
Ich kenne diese Frau nicht. Nicht wirklich.
Ich öffne die Arme und drücke diesen zierlichen kleinen Menschen an mich.
Das darf nicht sein, das kann einfach nicht sein. Nicht schon wieder.
Und so stehen wir dort und weinen.
Jeder für sich und doch miteinander. Die Worte, die wir wechseln, kommen und gehen von Herz zu Herz.
Es gibt nur wenig, das den Kontakt zwischen zwei Menschen ehrlicher macht als der Tod.

Viel später wandern meine Gedanken zu der Frau, die ich so viel besser und so viel weniger kenne.
Was macht das Leben da?

Kati 21.09.2016, 09.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL




Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.


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