Training

Vielleicht habe ich ein ganz klein wenig vergessen, wie zeit- und fokusintensiv es ist, einen Junghund auszubilden. Vielleicht.

Es ist eine angenehme Erschöpfung, die sich in mir ausbreitet, wenn der kleine Braunbär, der eigentlich ein Hund werden wollte, und ich nach einer anstrengenden und erfolgreichen Trainingseinheit erschöpft aufs Sofa sinken und 15 Kilogramm Temperament plötzlich ganz weich und anschmiegsam werden.
Wenn der schwere Hundekörper sich an mich drückt und so lange in meinem Arm herumrakt, bis er wie ein Baby dort hängen kann und seine warme Schnauze genau in der Beuge zwischen Hals und Schulter zu liegen kommt.
Ein wohliges Seufzen, ein tiefes Ein- und Ausatmen und dann ist der kleine Kerl auch meistens schon im Land der Träume verschwunden.
Ich spüre sein Herz an Meinem und seinen Atem auf meiner Haut.

Zuhause. Einen kostbaren kurzen Moment lang.

Kati 13.01.2017, 12.00| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: auf den Hund gekommen

Vegetarisch

Es zeichnete sich ab. Lange schon.
Schon als die Kriegerprinzessin klein war, behagte ihr das von mir immer offen kommunizierte Prinzip von "Wir müssen ein Tier töten, wenn wir Fleisch essen wollen" nie.
Gleichzeitig gibt es kein Familienmitglied, das so gerne Fleisch isst wie sie.

Nach weit über 8 Jahren stand vor zwei Wochen ihr Entschluss dann endlich fest.
"Ich möchte kein Fleisch mehr essen, Mama."
Die Tränen schossen ihr in die Augen.
"Ich lieb das so, Fleisch zu essen."

Ich nickte verständnisvoll.
"Aber ich kann das einfach nicht mehr, Mama."

Ich lächelte ihr zu.
"Dann machen wir das so, Motte. Ich helfe dir dabei."

Sie nickte stumm. Erschöpft.

Ich sehe den Zwiespalt in ihr. Jeden Tag.

Wir haben uns in den vergangenen Wochen auf die Suche nach Alternativen gemacht und ich fühle, wie schwer es im Alltag für sie ist.
Sechs von acht Familienmitgliedern essen Fleisch.
Der große Lieblingsbruder steht völlig fassungslos vor dieser Entwicklung und kommuniziert das auch unbarmherzig. "Aber Motte, du liebst doch Fleisch! Das willst du alles nicht mehr essen?"
Und schon sind sie wieder da, die Tränen.

Doch, natürlich will sie.
Und genau das macht die Größe und Tragweite dieser Entscheidung aus.

Kati 11.01.2017, 11.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ziehen - beziehen - erziehen

Therapiehund

Als die Züchterin uns begrüßte, hatte ich eigentlich nur Augen für das Welpengewusel hinter ihr. Und war sehr gespannt auf "unser" Baby. Wir konnten ihn uns nicht aussuchen, sie hatte ihn ausgewählt, nachdem sie hörte, dass wir eine achtköpfige Familie sind, mit Katzen, Hasen, großem Haus und Garten. Ich gebe zu, ich wollte einen süßen, verträumten, tapsigen Welpen.
Nur für mich, ganz alleine.
Das hatte ich mir verdient nach dem Alptraum der letzten Monate.

Sie kam mit einem kleinen Tornado auf dem Arm wieder und drückte ihn mir an die Brust. "Das ist Ihrer."
Ich war heilfroh, Kontaktlinsen und keine Brille zu tragen, denn die wäre kaputt gewesen. Für Entsetzen oder Enttäuschung hatte ich kaum Zeit, denn das wilde kleine Ding biss mir erst vor lauter Aufregung ins Gesicht, versuchte dann, mit dreckigen und nassen und kratzigen Pranken meine Haut am Hals aufzubuddeln, während es an meinem Ohr kaute.
Das flauschige Erlebnis, das ich wie beim ersten Hund damals vor 20 Jahren erwartet hatte, blieb aus. Stattdessen setzte ich das Energiebündel auf den Boden, um es mir in Ruhe ansehen zu können. Mit Milch-Reißzähnen am Ohr ging das schließlich nur schwer.
Ich redete mit ihm und nach ca. 2 Sekunden Aufmerksamkeit wetzte es davon. Raste einmal unter dem Tisch durch, nahm Decken, Schuhe und Vorleger mit, sprintete zum Sofa, riss ein wenig an dem Kuhfell, das auf dem Boden lag und versuchte dann, in den Kamin zu klettern.
Als ich in die Hocke ging, es ansprach und die Arme ausbreitete, schoss es wie von der Tarantel gestochen auf mich zu, schnappte nach meiner Hand und riss mich fast zu Boden.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Ich sollte in den folgenden Wochen und Monaten lernen, mit welcher Berechtigung die Züchterin ausgerechnet diesen Hund für uns ausgesucht hatte. Hochintelligent, schnell von Begriff und lässt sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen.
Die Kinder, die nun alle auch schon ein gewisses Alter haben, dass sie nicht mehr unbeholfen mit Tieren umgehen, lernten sehr schnell, dass auch Milchreißzähne fest zubeißen können, wenn man Mist mit dem Hund macht. Dass Gekreische und Gehampel den Hund aufdrehen und dazu führen, dass man seine Beine und Füße in Sicherheit bringen muss.
Und - dass ein Tier kein Spielzeug ist. Gerade mit dem Hang des Zusatzkindes, Tiere sehr übergriffig zu behandeln, ein Segen.

Mich dagegen zwingt der Hund, mein eigenes Handeln immer auf Ruhe, Logik und Konsequenz zu überprüfen. Was macht er, wenn ich mich wie verhalte? Er ist ein Spiegel und Regulativ meines Verhaltens gleichermaßen. Ich merke, je angespannter ich werde, desto gestresster reagiert er. Wenn meine Nerven zum Zerreißen gespannt sind, dann macht er eben alle fünf Minuten eine Pfütze in den Flur, obwohl er stubenrein ist. Ich brauchte einige Zeit, um diesen Zusammenhang zu realisieren. Inzwischen verordne ich den Kindern Zimmerzeit, bevor es soweit kommt.
Schnappe mir den Hund und trainiere mit ihm, kaspere mit ihm herum oder lausche nur seinem Herzschlag an meinem.
Je trauriger ich werde, desto näher kommt er. Stupst mich mit seiner großen Schnauze an oder knabbert mir zärtlich am Arm.
Er ist ein guter Gradmesser, wo ich mich gerade befinde. Je besser es mir geht, desto weiter kann er sich von mir entfernt hinlegen. Je schlechter es mir geht, desto näher versucht er, sich an mein Herz zu kuscheln.
Und er erdet. Immer und überall.
Da ist kein Platz für Panikattacken, für Angst, für Zweifel.
Immer nur für das Hier und Jetzt. Und für das Atmen.

Kati 04.01.2017, 11.00| (2/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: auf den Hund gekommen

Zersetzung

Als ich so darüber nachdachte, wie ich die momentane Familiensituation hier beschreiben würde, waren meine ersten Gedanken: Es ist weder gut noch schön, aber es läuft einigermaßen. Und noch vor einem Jahr wäre alles in mir auf die Barrikaden gegangen, dass das kein Maßstab für ein Zusammenleben im Schutzraum Familie sein dürfte, aber ich bin müde geworden. Habe mich müde gekämpft. So viele Illusionen verloren. Gemeinsam mit dem Mann so viele Gespräche geführt, so viele Tränen geweint, so viel Reue empfunden. Wir bemühen uns. Womit wir nicht gerechnet haben: Dass wir unsere Kinder schützen müssen. Vor Lügen. Vor Manipulation. Vor Übergriffen. Vor Gewalt. Wir sind müde. Wir gehen zu einer Familientherapeutin, wir versuchen, unsere Kinder stark zu machen, wir versuchen, sie zu schützen, uns zu schützen vor dieser Situation, die uns mehr abverlangt als wir geben können. Wir versuchen nur noch zu überleben. Und das ist etwas, wo ich nie wieder hinwollte. Der Mann und ich haben so viele Jahre in den Aufbau eines sicheren Rückzugortes investiert und müssen nun zusehen, wie er langsam vergiftet wird.

Kati 02.01.2017, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ziehen - beziehen - erziehen



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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