Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Gedankenchaos

Übergang [Häutung]

Der Prozess, der seit Monaten in mir stattfindet und mich umtreibt, schlaflos hält, in Frage stellt, gipfelt und manifestiert sich äußerlich jetzt in nur einem einzigen Punkt: Dem Ende.

Das wird der Transformation in keinem Sinne gerecht, aber wie kann man das Innen auf das Außen projizieren, ohne seine Authentizität zu verlieren?
Gewisse Dinge müssen reifen. 
Vor aller Augen verborgen wandeln sie sich und evolvieren sie, bis sie bereit sind, ans Licht zu treten. Und dann scheint es für den Zuschauer vielleicht zunächst wie Willkür oder Zufall oder etwas ähnlich Unplanbares, doch ist es nur der Höhepunkt einer exakt so essentiell nötig abgewickelten Choreografie aus Erleben, Denken und Fühlen und damit der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, nicht das Ende.

Die alte Haut abstreifen können hat mich immer fasziniert.
Alles, was sich im Leben transformiert - egal ob nun Larve zu Puppe zu Schmetterling oder das wortwörtliche Häuten der Reptilien, sie alle kommen in einer weiterentwickelten, größeren, glänzenderen Form zurück, um einen neuen Weg zu beschreiten, der ihnen vorher teilweise nicht einmal offenstand.
Das zu Tode abgenutzte und trotzdem immer wieder auferstehende Bild des Phoenix spiegelt die Entsprechung in der Sagenwelt wieder, aber der Teil mit dem in Flammen aufgehen war nie so ganz meins.

Ich mag die Verpuppung, finde den stillen Übergang und die Veränderung sehr viel reizvoller als die theatralische Dramatik des Augenblicks, bevor der Vogel im Grunde wieder genau das ist, was er vorher war.

Es ist wie es ist.
Es wird, wie es sein soll.
Alles bleibt anders.

Kati 14.08.2023, 12.04 | (2/0) Kommentare (RSS) | PL

Die goldene Gans

Die Worte stauen sich in mir und ich finde keine Gelegenheit, sie in Form zu gießen, weil die letzten Wochen emotional so dicht und belastend waren, dass ich nicht so weit runterfahren konnte, um mich in einen kreativen Zustand fallen zu lassen. Brauche Zeit und Raum, mich zu sortieren.

Ich „arbeite“ inzwischen jeden Tag mit meinem Geld und ich liebe es genauso wie damals, als ich vor 25 Jahren meine Eltern zur ersten Million investiert habe.
Das Glücksgefühl, das Wissen, die Technik - all das ist noch da und ich stehe zum ersten Mal in meinem Leben vor der ernsthaften Frage, ob es wirklich so verwerflich ist, dieses Geld für meine Zwecke zu instrumentalisieren.

Die letzten zwei Jahrzehnte mit dem Mann haben mein Weltbild so unumkehrbar verändert - MICH so unumkehrbar verändert, dass es vielleicht Zeit wird, auch diese letzte Überzeugung über Bord zu werfen, dass mich eigener Reichtum zu einem genauso schlechten Menschen macht wie es meine Eltern waren.

Ich kann, wenn ich mein Geld jetzt komplett spende, einer Anzahl x an Menschen helfen, ihr Leben nachhaltig zum Guten zu verändern.

Gleichzeitig ist eine der ersten Grundlagen, die man im Umgang mit Geld lernt, niemals seine goldene Gans zu schlachten.

Welchen Sinn hat es also, wenn ich es weggebe?
Der Umfang dessen, wie ich helfen kann, ist dann äußerst begrenzt.
Gleichzeitig steigen auch meine persönlichen Ressourcen und meine Resilienz mit finanzieller Absicherung in meinem Leben.
Wie sinnvoll ist es also, wenn ich beides wegwerfe? Nach all dem Kampf bis hierhin? Was habe ich dann gewonnen?

Warum behalte ich die goldene Gans nicht einfach in meinem Leben und verschenke die Eier?
Die Anzahl an Eiern kann ich aktiv beeinflussen.
Ich zahle so wenig Steuern wie sonst kaum jemand.
Ein Viertel muss ich dem Staat geben, der Rest gehört mir.

Wenn ich von meiner Gans jeden Tag ein Stück von 1000 Euro abschneide, bin ich in nicht allzu ferner Zukunft pleite.
Wenn ich jeden Tag für den Rest meines Lebens ein Ei von diesem Wert verschenke, kann ich dann nicht so viel mehr erreichen?

Ich kann ein System, das Armut zulässt, nicht verändern.
Nicht allein, nicht so. 
Aber ich kann es zu meinem Vorteil nutzen.

Mache ich mich damit mitschuldig? Ich weiß es nicht.

Kati 08.05.2023, 08.33 | (4/0) Kommentare (RSS) | PL

Ein Monat

Seit einem Monat bin ich reich.
Nicht, was Menschen in unreflektierten Superlativen unter reich verstehen, aber mehr als abgesichert in jeder Hinsicht.

Ich drehe mich noch. Manchmal ist es mehr ein Winden, ein Finden in einen alten Anzug, an vielen Stellen zu eng geworden, der kneift und völlig aus der Mode gekommen ist.
Ich wurde reich und privilegiert geboren. Materiell hatte ich als Kind alles, was sich ein Mensch nur wünschen kann.

Meine Familie kannte von allem den Preis und von nichts den Wert.

Mein Gehirn schafft es gerade nicht, die vielen losen Enden miteinander zu verbinden. 

Darf ich reich sein?
Darf ich im Überfluss leben, wenn es anderen Menschen nicht gut geht?
Darf ich meinen Reichtum vermehren?
Darf ich glücklich sein, nach allem, was ich in meinem Leben getan habe?
Wann ist Schuld bezahlt?
Kann man wiedergutmachen, was meine Familie an Unglück und Hass in diese Welt gebracht haben?
Und wie kann ich das tun?

Die letzten Jahre und Jahrzehnte habe ich gegen Windmühlen gekämpft.
Wann immer ich etwas Gutes tat, es hat gefühlt nichts verändert.
Beim leisesten Anflug von Zufriedenheit und dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, lauerte ein noch schlimmeres Schicksal an der nächsten Ecke.
Es nimmt kein Ende, nie. Natürlich kann ich jetzt jemandem ein Haus, ein Auto, Lebensmittel kaufen, einen Hund, eine Katze, whatever sein Leben gerade besser machen würde, aber wie wähle ich diese Menschen aus und was habe ich erreicht, wenn das Geld dann irgendwann alle ist? 

Nichts. Wieder nichts.

Es reicht, wenn du für einen Menschen einen Unterschied gemacht hast…

Was, wenn genau das nicht reicht?
Wenn man einfach gar nichts wirklich und nachhaltig verändern kann?

Kati 14.04.2023, 09.51 | (11/0) Kommentare (RSS) | PL

Die Vorzeichen [Teil I]

Ich bin ein sehr vernunftbegabter Mensch. Nicht ohne Drama, aber doch durchaus vernunftbegabt. Ich weiß, dass es einen Namen für das Universum gibt, in das ich eingetreten bin, wenn ich mit meiner Großmutter mütterlicherseits zu tun hatte und der lautet: Aberglaube.

Nun verhält es sich mit Aberglauben aber so, dass er sich jedem logischen Denken erstmal verweigert. Programmierung von Kindern tut dann noch das Ihre dazu. Viele von uns kennen in der „Light“-Version auch als Erwachsene noch das schlechte Gewissen, wenn uns etwas Schlechtes widerfährt, weil wir als Kinder gelernt haben, dass „Der liebe Gott die kleinen Sünden sofort bestraft“ oder dass „Karma regelt“.

In einer pathologisch mystischen Welt aufzuwachsen, in der grundsätzlich alles ein Zeichen ist, ist maximal schwierig. Der Rabe da oben auf dem Dach? Jemand stirbt. Die schwarze Katze? Tod und Pech. Der Ruf eines Kauzes? Stirb. Eine Frau wünscht dir Glück? Schnell ins Haus verkrümeln. Über einen Kreuzschatten gehen? Um Himmels willen, leg dich gleich ins Grab. Bestimmte Schmetterlinge oder Spinnen? Dito. Mit dem linken Fuß aufgestanden? Nimm dir nichts vor, halt dich von deinem Partner fern. Vollmondtage? Jetzt wird's richtig wild.

Und da sind wir noch gar nicht bei abgebissenen Mausteilen und Eingeweiden zur Behandlung von Krankheiten.

Ich wurde mit einem sehr großen Blutschwamm geboren, der - Überraschung - natürlich ein Zeichen des Teufels war. Ich habe Augen, die in der Sonne fast orange leuchten - auch nicht gut.
Als ich als Kind mal eine Warze am Fuß hatte, die jeder Hautarzt gut hätte behandeln können? Kati wurde bei Vollmond in den Wald geschleppt, mit Tau gereinigt und in mit gegen die Strömung geschöpftem Flusswasser gewaschen, hat an einem Baum geleckt und wurde mit frischem Tierblut eingerieben. Danach wurde die Warze regelmäßig „besprochen“. Es hat sie leider nur nicht interessiert. Das war natürlich meine Schuld, weil mir der Glaube fehlte, also auch dafür wurde ich dann logischerweise mit dem Weiterbestehen der Warze bestraft.

Meine Hautkrankheit wurde mit Maschinenöl behandelt. Das hat nämlich dem Onkel einer verstorbenen Witwe, die damals einem Schäfer begegnet ist und danach ein rothaariges Kind bekommen hat, super geholfen.
Ausschlag bei Viruskrankheiten, die ich ja ohnehin alle ungeimpft durchmachen musste, weil das das Immunsystem stärkt? Wir schneiden einfach die Haut ein und werfen das Kind in kaltes Meerwasser, damit das Salz alles Teuflische wegbrennt.
Fieber? Husten? Lungenentzündung? Eisbaden. Bei Vollmond.

Bei jedem Besuch wurden meine Handlinien ausgiebig gemustert, mit viel Gemurmel und unheilschwangerem Klagen ausgelesen und geweint, warum ich so ein Unglückskind sei.
Das macht was mit Kindern. Bei allem, was mir später widerfahren ist, war mir klar, dass ich für irgendetwas bestraft wurde. Also war es ja auch nicht falsch. Ich wusste zwar nicht, wofür ich bestraft werde, aber ich würde es schon verdient haben. Die grundlegenden Prinzipien von Karma und Zeichen und Vorahnungen und Prophezeiungen wurden mir schließlich von Geburt an nachhaltig eingetrichtert.

Ich habe sehr viele sehr liebevolle Erinnerungen an meine Großmutter und ich bin stolz auf meine Herkunft. Auf diesen Teil hätte ich trotzdem gerne verzichtet. Als sie früh an Krebs starb, war ein Teil von mir froh, dass ich keine Angst mehr vor ihr würde haben müssen.

Je älter ich wurde, desto mehr stellte ich in Frage. Je mehr ich sah, wahrnahm, wie ungerecht und unfair das Leben nun mal ist, desto mehr zweifelte ich. Warum sterben Kinder im Mutterleib? Warum erkranken Babys? Warum müssen unschuldige Kinder leiden? Wenn das einen „Grund“ haben sollte, würde er sich mir nie erschließen. Wenn eine höhere Instanz aktiv dafür sorgte, dass jeder kleine und noch so menschliche Fehler bestraft würde, wäre das keine Instanz, der ich mich freiwillig unterstellen würde.

Noch später schaffte ich einen weiteren gedanklichen Schritt. Wenn doch alles bestraft würde - warum kamen dann oft die grausamsten Menschen mit ihren Taten davon? Warum wurden Verbrecher so alt? Warum blieben Menschen glücklich und gesund, die andere Menschen ins Verderben gestürzt hatten?
Warum werde ich mit einem Unfall dafür bestraft, dass ich vom Kuchen genascht habe und Menschen, die anderen Menschen absichtlich wehtun, leben unbehelligt ihr Leben weiter?

Es sollte noch sehr lange dauern, bis ich das sortiert bekommen würde.
In der Zwischenzeit hatte ich Geld im Portemonnaie, falls der Kuckuck rufen sollte, machte Umwege um Leitern, schwarze Katzen, Spiegel und Eulen, machte Dinge lieber mit linken Händen oder rechten Füßen, am liebsten bei Vollmond oder auf gar keinen Fall währenddessen, freute mich über jede Bachstelze, sprach nicht mit ihrem Namen von Verstorbenen, warf Salz über Schultern, spuckte auf Dinge, hielt mich von Blumen auf Friedhöfen fern, legte niemals eine offene Handtasche auf den Fußboden, sah mir grundsätzlich keine Handflächen von Menschen an und klopfte viel auf Holz.

Das Leben im Aberglauben, wenn er so sehr Obsession ist wie das bei meiner Großmutter und ihrer Familie der Fall war, ist kein sehr Entspanntes. Es ähnelt einem Spießrutenlaufen um jedes mögliche Zeichen, um bloß nichts zu übersehen. Weder im Guten noch im Schlechten.

Der kupferne Glückspfennig auf dem Weg, das Hufeisen, das Kleeblatt, das man womöglich übersehen würde, zerbrochene Dinge bitte nur aus Keramik, auf gar keinen Fall aus Glas, sonst wird aus Glück plötzlich Unglück oder im schlimmsten Fall des Spiegels zerreißt es auch noch über Jahre deine Seele in so viele Abbilder wie Scherben - es ist sehr anstrengend, die Omen alle zu sehen und dabei das Schicksal nicht zu verstimmen.

Während ich dies schreibe, überlegt ein Teil von mir, wie wahnsinnig oder zutreffend es ist, diesen Text an einem 13. zu veröffentlichen.

Kati 13.04.2023, 10.46 | (5/0) Kommentare (RSS) | PL

Wachstum.

Garten. Endlich wieder in den Garten. Gestern kamen die letzten Pflanzen, die ich im Januar vorbestellt hatte und unter anderem auch die vier Rosen, die auf den Gräbern von Kasimir und Schnuppe wachsen sollen.

Das Buddeln im Garten tut so gut.
Endlich wieder Wachstum und Leben nach all dem Tod und Verfall der letzten Monate.

Ich habe lange überlegt, was ich mit dem Geld mache, wenn es erst mal da ist und dachte, ich würde es handhaben wie üblich. Aber ich habe die letzten Jahre Revue passieren lassen und nichts von alledem (bis auf ein paar Ausnahmen) hat mich wirklich befriedigt. Ich liebe helfen, aber ich vermute, ich bin deutlich weniger altruistisch als ich dachte.

Seit 15 Monaten kaufe ich jeden Tag einem fremden Menschen etwas von seiner Wishlist und dieses Jahr wollte ich das fortführen, aber hier menschelt es bei mir gerade deutlich. Darum habe ich es gestoppt. Ich mag kein Riesenbohei, aber ab und an ein Danke wäre nett gewesen oder zumindest das Wissen, dass es angekommen ist oder… ach, die Liste ist lang.

Rechnungen, die ich übernommen habe, egal ob Stromnachzahlung, OP-Kosten für Tiere, Hilfsmittel für alte Hunde, Anwaltssuche… die Tausender, die da über den Tisch gingen, waren die unbefriedigendsten.
Und ich habe den Anspruch an mich selber, dass es reicht, dass ich (vielleicht) einen Unterschied mache, aber ich fürchte, ich habe mehr als nur ein Minimum an Ego in der Hinsicht.
Vielleicht einfach nur die Rückmeldung, dass es nicht egal war.
Aber auch das ist in vielen Fällen zu viel verlangt.
Offensichtlich. Ein Geschenk ist ein Geschenk.
Kein Handel.
Meine oberste Richtlinie.
Aber wenn es doch als Selbstverständlichkeit betrachtet wird - ist es dann überhaupt noch ein Geschenk?
Ich muss an diesem Punkt in mich gehen.

Ich denke, ich habe meinen Beitrag geleistet, was weitestgehend fremde Menschen angeht und die Frage, wie man Schuld sühnen kann, ist immer ein Thema in meinem Leben.
Vielleicht wird es Zeit, sich wieder in kleineren Kreisen zu bewegen. Denn das ist da, wo meine Freude aufleuchtet. Das widerspricht elementar dem Anspruch, dass ein Geschenk keine Gegenleistung erfordert, aber ist es denn wirklich schlimm, wenn ich Zufriedenheit daraus ziehe, dass jemand anderes sich freut?
Was ist noch Empathie, wo fängt der Narzissmus an?
Grau. Ich muss im Grau bleiben.
Vielleicht ist auch das hier nicht schwarz und weiß.

In der Zwischenzeit arbeitet das Geld für mich und ich tue das, was ich gut kann und mir so lange verboten habe: Ich vermehre es. Jeden Tag ein bisschen. Auch das ist vielleicht eine Erkenntnis, die bis heute reifen musste. Ich darf reich sein. Ich darf mich reich fühlen und ich darf Spaß daran haben, mit Geld zu arbeiten und es zu besitzen ohne moralisch gleich der letzte Arsch zu sein.

In letzter Zeit wieder ein paar zu viele spitze Bemerkungen zum Thema Hausfrauendasein gehört, die ich für mich noch verarbeiten muss.
Ja.
Was mache ich schon den ganzen Tag…

Kati 17.03.2023, 10.23 | (6/0) Kommentare (RSS) | PL

Öffentlich

In den letzten Wochen war da so viel Häme, so viel offener Hass, so viel Ablehnung, so viel Drohung, dass ich sehr damit gehadert habe, sichtbar zu sein.

Einige nachhaltige persönliche Enttäuschungen, die mir nur ein weiteres Mal gezeigt haben, wie egozentrisch und unsicher Menschen sind und wie schnell sie dir den Rücken kehren, wenn du dich nicht verhältst, wie sie es gerne hätten, wobei sie selber diese Freiheiten natürlich einfordern und sich zweifelsohne zugestehen. Wenn jemand anders verletzt wird, muss er halt damit klarkommen, aber wenn es einen selber mal trifft, dann muss sich bitte die Welt neu ausrichten.
Menschen, die immer gerne alles nehmen, was ihnen zum Vorteil gereicht, aber wehe, es kommt zu irgendeiner Art von Einschränkung der eigenen Bequemlichkeit oder des besteht die Notwendigkeit, mal kurz über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Die offen zur Schau getragene selbstverliebte Bigotterie einiger Menschen macht mich fertig. Vermeintlich unfehlbar zu sein und gleichzeitig auf dem hohen moralischen Ross sitzend alle anderen dafür verurteilen, dass sie es nicht sind.
Ich bin so durch mit Menschen.

Ich weiß nicht, warum jemand mich mögen könnte. Es erschließt sich mir nicht. Ich bin so unperfekt, so strauchelnd, fehlbar, ich sehe weder besonders gut aus noch habe ich für irgendein Problem eine Lösung, auf die nicht schon Millionen Menschen vor mir gekommen wären, ich habe eine problematische Vergangenheit, ich bin innerlich so kaputt, dass ich meiner Umgebung maximal so etwas wie Sensationsgeilheit unterstelle, aber Sympathie?

Man braucht ein dickes Fell, wenn man öffentlich ist und je mehr Leute zuschauen und sich ein Urteil bilden, desto mehr muss man sich abgrenzen. Aber das kollidiert maximal mit meinem Bedürfnis, sichtbar, offen, verletzlich und zugewandt zu bleiben. Was mache ich also?

Ich habe noch keine Antwort gefunden.
Es gibt natürlich die, die vom Drama angelockt werden. Die, die nachfragen, täglich, mehr Informationen wollen. Die, die Geld wollen. Die, die einen Rat wollen, die sich von meiner Größe angezogen fühlen und auch mal mit der supercoolen Jadekompendium interagieren wollen und alles davon macht mich fertig. Ich bin nicht besonders. Ich will keinen Fame, keinen Jubel. Aber ich mag auch nicht nur Projektionsfläche für das sein, was Menschen in mich hineininterpretieren. Die Anliegen, die jeden Tag mein Postfach überschwemmen, überfordern mich.

Dann denke ich an die Menschen, die ich hier kennengelernt habe und auf die das nicht zutrifft. Meinen Elch in der Dose. Mein Holzkreuz. Die Briefe. Die Hummel und der Bär in meiner Handtasche. Die vielen zugewandten und aufrichtigen Worte, die wie Balsam für meine Seele sind. Meinen abendlichen SafeSpace, der aus einigen Menschen besteht, die ich bei einer ZombieApokalypse definitiv an meiner Seite haben wollen würde. Die Echten. Die, die bleiben werden.
Und ich weiß wieder nicht, was ich tun soll.

Der Mann und ich haben die Abmachung, dass wir jederzeit alle öffentlichen Brücken hinter uns abbrechen können und keinerlei qualitative Einbußen in unserem Leben hätten und das ist der Punkt, der mich davon abhält, dem Wahnsinn anheim zu fallen. Ich kann jederzeit alles löschen, verschwinden, neu anfangen oder auch nicht, es macht keinen Unterschied.

Die Wichtigen werden bleiben.

Kati 16.03.2023, 08.04 | (8/0) Kommentare (RSS) | PL

Scheideweg

Natürlich weiß ich, was ich tue.
Ich nehme mir ein Stück meiner Außenregulation weg.
Mich öffentlich sichtbar zu machen, mich stetig in meinen Handlungen zu hinterfragen, alles immer von allen Seiten so zu betrachten, dass ich zwar in der Verletzlichkeit und im Grau bleibe, aber nur soweit, dass ich die Maske der Zivilisation noch aufbehalte, hilft mir mein Leben so zu leben, wie es richtig ist. 

Ich habe kein Gefühl dafür, was richtig und falsch ist. Ich habe das mühsam erlernen müssen. Meine moralischen und ethischen Maßstäbe sind ein auswendig gelerntes und stetig intern diskutiertes intellektuelles Konstrukt und ich weiß das gut.
Ich kann den inneren Spott körperlich fühlen, der mich durchflutet, während ich das hier schreibe.

Wir sind alle nur Tiere.
Unser Neocortex ermöglicht uns das, was wir Zivilisation nennen, aber es braucht weiß Gott nicht viel, in einem Menschen nur noch das Stammhirn leuchten zu lassen.

Der Tanz auf meinem ganz persönlichen Vulkan ist, die obere Gehirnregion ein ganz kleines Stück loszulassen, um ins Gefühl zu kommen. Ins echte Gefühl, das nicht gleich von Verzweiflung überschwemmt wird und mich eine Etage tiefer rutschen lässt. Gefühl ist für mich immer auch Hilflosigkeit.

Der morgendliche Ausbruch in Tränen zeigt mir zumindest, dass ich auf dem richtigen Weg bin, auch wenn ich noch nicht weiß, worum ich weine.

Kati 14.03.2023, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Für mehr Grau

Ich mache das gut.
Ich bin hier.
Ich laufe nicht weg.

Der Drang nach dem Abschluss meines momentanen Lebens und einem Neubeginn in absoluter Anonymität ist aktuell stärker denn je. Ich habe gestern nicht meine Koffer gepackt, unsere Konten leergeräumt, die Hunde und Tourbus genommen und bin nicht einfach weit weg gefahren. Ich habe nicht meine gesamte Internetpräsenz gelöscht, habe nicht die Gilde aufgelöst und meine Notfall-Sicherheitsalternativen aktiviert.

Ich bin noch da.
Der Drang nach dem Schwarz und dem Weiß ist so stark. Es frisst mich auf. Ich muss unterscheiden können, was richtig und was falsch ist, es darf keine Zweifel, keine Zwischentöne, keine Abstufungen, nur diese beiden Extreme geben. Extreme bieten innere Sicherheit, immer. Ist etwas nicht ganz richtig, ist es automatisch falsch. Hat etwas Gutes einen Makel, ist es schlecht.

Ich kenne meine Mechanismen, natürlich. Habe in den vergangenen Wochen erstmals wieder über Medikation nachgedacht, die mich in der verhassten mittelmäßigen Tristesse der tablettenförmigen Gehirnregulierung hält und alles nur noch als mittelschlimm, mittelgut, mittelschlecht empfinden lässt und verglichen mit meinem strukturellen Gefühlsempfinden mein Leben etwa so aufregend wie eine Scheibe Toastbrot erscheinen lässt. Ich weiß aus bitterer Erfahrung, dass gerade diese Regulation mich hoffnungslos macht, weil mein Leben in seiner gefühlt gleichförmigen Glückseligkeit sinnlos erscheint. Ich verschwinde, jeden Tag ein bisschen mehr, bis irgendwann die Teile übernehmen, die darauf nicht ansprechen.

Das Wissen darum, dass ich Ärzte habe, die mir jederzeit alles Vertretbare möglich machen, schafft etwas Erleichterung, immer einen Tag weiter ohne sie zu schaffen. Ohne Schlafmittel, ohne Beruhigungsmittel, ohne Betäubung, ohne Beeinflussung meiner Gehirnchemie.

Fünf Jahre ist es her, dass ich diese Instanz zum letzten Mal betreten habe und es war ein harter Weg, da wieder rauszukommen. Ich fühle mich noch nicht verzweifelt genug dafür.

Aber ich brauche mehr Grau.
Es ist das, was ich am wenigsten will und das, von dem ich weiß, dass ich es am nötigsten brauche.
Es ist okay, wenn es sich gerade alles nicht gut anfühlt.
Es ist okay, wenn ich weglaufen will. Ich muss es nicht tun.
Es ist okay, wenn die schwarzweißen Gedanken kommen, ich muss mich nicht für eine Seite entscheiden.

Ich darf im Grau bleiben.

Kati 14.03.2023, 08.00 | (0/0) Kommentare | PL

Stephan.

Die Nacht war hart. Alles mit den Träumen der Babys ist hart. Heute war es zwar mein Eigenes, aber es sah aus wie Stephan. Er war es. Und er war es wieder nicht. Ich habe ihn schreien gehört, wie jede Nacht, aber diesmal war das kombiniert mit einer der Feuerübungen, die ich machen musste, ich war also wieder in dem verqualmten Raum in dem schwedischen Haus eingeschlossen, aus dem ich mich befreien musste, weil mein Vater die Abzugsklappe des Kamins im Zimmer nebenan zumachte, dann Feuer entzündete aber statt nur mich selber retten zu müssen, schrie ununterbrochen das Baby, von dem ich nicht wusste, wo es sich befindet.

Die letzte Übung dieser Art ist jetzt fast 3 Jahrzehnte her, Stephan noch mal viele Jahre weiter zurück und trotzdem…
Zumindest die Erinnerungen an den Traum verblassen mit zunehmendem Tageslicht, die Echten bleiben mir erhalten.

Mein Vater liebte die psychischen Versuchsaufbauten. Es faszinierte ihn zeitlebens mehr als jede andere Kategorie. Wie lange hält ein Kind Schmerzen aus, wenn man ihm den Ausweg gibt, es in Ruhe zu lassen, wenn es selber stattdessen einem anderen Wesen Schmerzen zufügt? Wie weit kann man das steigern? Wie lange muss man eine Fünfjährige foltern, deren einziger Ausweg ist, dasselbe einem Baby, einem geliebten Tier, einem Gleichaltrigen anzutun?

Ich weiß nicht, was mit Stephan ist. Aber ich kann seine Schreie hören. Immer.

Kati 13.03.2023, 08.02 | (3/1) Kommentare (RSS) | PL

Rückwärts

Vielleicht habe ich inzwischen die Einsicht erlangt, dass mit deinem Tod etwas angestoßen wurde, das ich weder lenken noch aufhalten kann. Und um ehrlich zu sein: Ich möchte das nicht. Ich mag die Erinnerungen nicht sehen, ich mag die Veränderungen in unserer Persönlichkeitsstruktur nicht, ich diffundiere; und dort, wo immer harte Grenzen waren, leuchten nun pulsierende bunte Durchgänge, durch die ich nur gehen müsste, wenn ich wollte. Ab und zu schwappt von einem Raum etwas in einen anderen, was dort überhaupt nicht hingehört und ich bin den Großteil meiner Zeit damit beschäftigt, Lücken im Tagesablauf zu verstehen. Ich möchte das nicht mehr. Zweifelnde und ablehnende Gefühle, die nie meine waren, vermischen sich nun mit der klaren Liebe und Vorstellung meines aktuellen Lebensentwurfs. Umwälzung, von Innen, die meiner Befürchtung nach bald das Außen erreichen wird. Der Kopf weiß um meine Entscheidungen, um 18 Jahre Beziehungs- und Familiengestaltung und doch flammt Abwehr von ganz tief unten auf. Mit jeder Erinnerung, mit jeder meiner Schwächen nimmt sie mehr Raum ein, greift um sich, erobert sich Platz und Macht. Zurück? Ich weiß es nicht. Habe ich Angst um meinen Platz? Ja. Vermutlich. Natürlich. Ich bin das Operating System. Was, wenn ich stürze?

Kati 12.03.2023, 08.27 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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