Puzzleteile

Die Kriegerprinzessin ist seit einer Woche am Meer auf Klassenfahrt. Und zusätzlich zum "es fehlt ein Kind" und "ich vermisse mein Kind", fehlt sie mir ganz besonders. Sie ist das Kind, das mir am ähnlichsten ist. Auch das, mit dem ich am häufigsten aneinander rassle, das liegt wohl in der Natur dieses Umstands.
Und sie ist das Kind, das die meisten meiner eigenen Leidenschaften teilt. Allen voran Tiere. Und so fehlte sie mir, als die neuen Küken geschlüpft sind, sie fehlte mir, als ich mit einem der großen Rammler zum Tierarzt musste, sie fehlt mir bei der abendlichen Fütterungsrunde und beim Erzählen der vielen großen und kleinen Begebenheiten, die den ganzen Tag so passieren. Egal, ob der Hund wieder ins Wachtelgehege eingebrochen ist, die Katzen Mist gemacht haben oder ich über Stallumbauten nachdenke. Keines der anderen Kinder hat auch nur annähernd so viel Interesse an anderen Lebewesen wie dieses Eine. Tiere, Pflanzen, Menschen - alle. Keines, das sowohl um das Wohl von Insekten besorgt ist als auch bissige Pferde hätschelt. Aus purer Liebe zu dieser Welt und allem, was darin lebt.
Das große Tochterkind findet alles niedlich, so lange es klein und flauschig ist und sie Abstand davon halten kann, der große Sohn hat Angst vor den meisten Tieren - wenn auch ein großes Herz für sie, der kleine Sohn liebt Eier sammeln und mit dem Hund spielen, ist aber noch zu klein für echte Verantwortung und dem autistischen Zusatzkind fehlt jede Art von Fähigkeit, sich mit Gefühlen oder Bedürfnissen anderer Wesen auseinanderzusetzen.
Ich bin sehr dankbar, dass dieses eine Puzzleteil am Ende der Woche wieder bei uns ist.

Kati 21.06.2018, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Spätzchen, die zweite

Der Spatz, den die Kriegerprinzessin vor einiger Zeit mit aus der Schule gebracht hat, hatte sich innerhalb zweier Tage wieder so berappelt, dass er nicht mehr umfiel, in unserem Haus umherflatterte und endlich lautstark nach seiner Mutter rief.
Also haben wir ihn dorthin gebracht, wo sie ihn gefunden hatte und innerhalb von Sekunden holte ihn seine Mutter ab und sie flogen gemeinsam auf den nächsten Ast.

Das ist ein Glücksgefühl, das für mich kaum zu toppen ist. Wann immer die Kriegerprinzessin nun während der Pausenzeiten die Spatzen sieht, die um ihre Schule herum leben, muss sie an ihren Felix denken, sagt sie. Und ist froh, dass er seine Mama wiederhat.
So darf das sein.

Kati 20.06.2018, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: tierisch

gescheitert

Es sind vielleicht die bittersten und zugleich erlösendsten Worte, die Eltern aussprechen können, wenn sie müssen. "Wir sind gescheitert." Gescheitert... woran? An dem Anspruch, ein Kind auf das Leben vorzubereiten. An dem Anspruch, aus einem Kind ein soziales Mitglied der Gesellschaft zu machen. An dem Anspruch, ein Kind dazu anzuleiten, sich selbst versorgen und glücklich machen zu können. Die "Krisenintervention", die hauptsächlich dazu diente, ein angeblich hochsuizidales Kind für 48 Stunden wergzusperren und uns dann mit allem wieder alleine zu lassen, hat viel in Bewegung gesetzt. In dem Kind, in uns, in der Familie. Wo vorher schon Unwohlsein war, ist jetzt offene Ablehnung. Das schale Gefühl, von einer narzisstischen 16jährigen einfach nur an der Nase herumgeführt worden zu sein, bleibt. Seit dem ist Vieles zerbrochen, von dem ich vorher nicht dachte, dass es schon angeschlagen sei. Ich habe mich geirrt. Mal wieder. Wir haben zwei Jahre lang versucht, einen psychisch anscheinend schwer gestörten Menschen in eine Familie zu integrieren, die gar nicht zusammenwachsen konnte, weil das auf mehr Ebenen sabotiert wurde als ich mir hätte vorstellen können. Jetzt sind die Fronten klar. So viel Bedauern über so viel vergeudete Lebenszeit und Energie.
Wir gehen weiter.

Kati 18.06.2018, 12.00| PL | einsortiert in: ziehen - beziehen - erziehen

Ein Lebewohl auf Vorstandsebene

Die letzten Nächte waren schlecht, die Tage nicht besser. Die Schritte aus dem Gebäude - der Abschied - die letzten Worte - die waren leicht. Beschwingt. Schwerelos, fast. Ich habe alle meine Posten geräumt, meinem Nachfolger alles Gute gewünscht und alle Aktenordner voll mit Unterlagen einfach dagelassen. Gezweifelt habe ich an der Richtigkeit dieser Entscheidung im letzten Herbst nie, nur die Gedanken an die letzte Zusammenkunft, die ich heute leiten muste, waren schwer. Jetzt ist alles Schall und Rauch. Und das fühlt sich gut an.

Kati 15.06.2018, 17.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: out of order

"vermutlich gutartig"

Die Worte "vermutlich gutartig" mit dem Nachsatz: "also schon wahrscheinlich harmlos" sind nicht besonders gut dazu geeignet, mein Kopfkino zu beruhigen. Das große Tochterkind hat am Knochen "vermutlich gutartige" Wucherungen von "irgendwas", was man aber genauer leider erst herausfinden kann, wenn man das operiert. Das machen wir morgen früh um eine sehr unchristliche Zeit und da das Tochterkind mit einer ganzen Palette von Besonderheiten aufwartet (Herzfehler und ähnliche Spässchen), bin ich etwas aufgeregt.
Sie nicht so.
Nebenher läuft der Alltag weiter - Klassenfahrten, Berufsberatung, Hobbies, Sport, Psychotherapie und der ganz normale Wahnsinn.
Noch genau ein Monat bis zu den Sommerferien, die die Kinder und ich weiß Gott dringend nötig haben. 

Kati 13.06.2018, 12.00| (3/3) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Mein erster Hummelstich

Inzwischen bin ich fast 40 Jahre auf diesem Planeten und bin schon von so ziemlich jedem Tier mal gebissen oder gestochen worden, das es hier in Europa so gibt.
Seit gestern Nacht, als ich eine pummelige kleine Hummel aus dem Wassernapf des Tochterkaters gerettet habe, kann ich auch den Stich einer Hummel dazuzählen.

Die Hummel mochte den Deckel, auf dem ich sie gerettet habe, leider gar nicht und kletterte schnurstracks auf meine Hand.
Auch nicht schlimm, ich transportiere Bienen und Hummeln auch ohne Probleme direkt auf der Hand, das ist noch nie schiefgegangen, aber diese hier war irgendwie motzig und als ich sie draußen in den Nachthimmel hielt, stach sie als Abschied einmal beherzt zu.

Und scheiße, tat das weh.
Bienen und Wespenstiche sind ja ein Dreck dagegen.

20 Minuten und sämtliche erste-Hilfe-Maßnahmen später konnte ich meine linke Hand bis zum Unterarm überhaupt nicht mehr spüren, erst kribbelte alles, dann wurde es taub.
Und tat dabei furchtbar weh.
Jetzt, eine Nacht später, fühlt es sich nur noch nach einem Zwischending zwischen "mir ist jemand mit einem Laster über die Hand gefahren" und "ich habe meine Hand 5 Minuten in kochendes Wasser gehalten" an.

Und ich fürchte, ich werde Hummeln wohl nie wieder als die flauschigen kleinen Pummelchen sehen können, die sie bislang für mich waren.

Kati 09.06.2018, 12.00| (1/1) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Alltag

Daten werden gelöscht...

Eine öffentliche Person zu sein, war nie mein Ziel.
Es hatte viele Vorteile und Annehmlichkeiten und mindestens genauso viele Nachteile.
Das Erkanntwerden ist nicht meins. Und jetzt, wo ich Ehrenamt, Engagement und Präsenz in der Öffentlichkeit aufgegeben habe, muss ich mir jeden Zentimeter Boden, auf dem ich beinahe unerkannt laufen darf, hart erkämpfen.
Es wird nicht mehr lange dauern, da werde ich in den Köpfen der Menschen in der Annonymität der Vergangenheit verschwinden, aber der Weg dorthin ist unangenehm.
Noch so viele Menschen, die der Meinung sind, mich zu "kennen", noch so viele, die da anknüpfen wollen, wo ich niemals echt war - das ist ein steiniger Weg und manchmal denke ich, es ist der Preis für diese Zeit. Sie hatte ihre Berechtigung und nun ist sie vorbei, weil mir klar wurde, wie sehr diese Öffentlichkeit an mir gezogen hat.
Mich verzogen hat.
Das Handy löscht gerade einen dreistelligen Teil meiner eingespeicherten Kontakte und das fühlt sich einfach nur großartig an.
Ein Stück Freiheit.

Kati 08.06.2018, 15.00| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Alltag

Spätzchen

Die Kriegerprinzessin kam heute ziemlich aufgelöst aus der Schule.

In der Hand hielt sie ein Bündel Tier.
Ich dachte zuerst wieder an einen Frosch, eine tote Ratte, eine Maus, was auch immer dieses Kind normalerweise mit nach Hause bringt, aber es war ein Vogel.

Da sie genau weiß, wie fatal es ist, vermeintlich unbeaufsichtige Jungvögel mitzunehmen, war ich auf die Geschichte gespannt.

Der kleine Kerl ist vermutlich aus dem Nest geplumpst und hat sich dann in einem Drahtgitter verfangen. Dort hing er fest und lag entkräftet in der Sonne. Die Kriegerprinzessin befreite ihn vorsichtig und überprüfte dann, ob er schon fliegen kann. Konnte er nicht. Außerdem kippte er immer wieder um. In einem Stadtviertel, das vor streunenden Katzen nur so wimmelt, auch eher schlecht. So hat sie sich dann entschieden, ihn mitzunehmen.

Also wohnt hier jetzt ein kleiner Spatz, der alle halbe Stunde von seiner neuen Ziehmami gefüttert wird und inzwischen schon wieder ganz wach seine Umgebung beobachtet.
[und auf den ich morgen während der Schulzeit natürlich aufpassen muss...]

Kati 06.06.2018, 18.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: tierisch

WMDEDGT 06/2018

Es ist der 5. des Monats und jeden 5. heißt es bei Frau Brüllen drüben: "Was machst du eigentlich den ganzen Tag?".

Der Tag beginnt relativ ungünstig mit migräneartigen Kopfschmerzen, die mich zweimal im Monat heimsuchen und bevor der Mann sich um 6 Uhr morgens zur Arbeit aufmacht, reicht er mir vorher noch zwei Tabletten ins Bett. Ich habe noch 10 Minuten, in denen ich hoffe, dass die Medikamente wirken (ein Hoch auf die Pharmaindustrie!), bevor ich aufstehen muss. Die Kinder dürfen aus Gründen erst ab 6:30 Uhr ins Erdgeschoss kommen und für das autistische Zusatzkind bedeutet "frühestens" eben jeden Morgen "exakt dann". Als ausgeprägter Morgenmuffel habe ich ganz gerne noch einige Minuten für mich alleine, bevor ich einem zwanghaften Tischdeck-Ritual beiwohne, das mich wahnsinnig macht. Ich sinke in die Kissen zurück, überlasse mich den Schmerzmitteln und kann 15 Minuten später tatsächlich einigermaßen aus den Augen kucken. Eine Etage über mir rumort es schon seit einiger Zeit.
Der närrische kleine Tuk ist dazu übergegangen, neueste Fußballtricks zu üben und ich höre von den anderen 3 Kindern, die mit ihm im Obergeschoss wohnen müssen, energische Zurechtweisungen.

Als Antwort schießt er mit der Nerfpistole auf Geschwister, die aus ihren Zimmern kommen. Ich höre Gekreische.
Ich stehe auf, hole den kleinen Braunbären, der mal ein Hund werden wollte, aus seinem Bett und wanke ins Untergeschoss. Der hochmotivierte Hund holt seine Frühstücksschüssel, scheppert damit an die Heizung, rast wie bekloppt einmal durch die Diele und rennt mich dann über den Haufen. Ich fülle sein Frühstück in die Schüssel, gebe ihm das Kommando, dass er es essen darf und rette mich ins Badezimmer. Ich höre bereits die ersten Kinder im Kinderbadezimmer oben und möchte einfach nur schlafen. Und keine Kinder haben.

Das Frühstück verläuft relativ undramatisch, die Kriegerprinzessin nimmt heute ihre Geburtstagsmuffins mit in die Schule, das autistische Zusatzkind bekommt den Auftrag, sich für diese Woche noch zu verabreden und wir üben noch ein paar Konversationsvarianten ein, der närrische kleine Tuk hat einen kurzen Heulanfall, weil er seine neue Deutschland/WM-Fußballkleidung nur im Sport und nicht gleich zum Unterricht anziehen darf und Zusatzkind1 hat anscheinend einen furchtbaren Tag, so wie immer. Ich überprüfe kurz, ob irgendwo neue Schnittverletzungen an ihr zu sehen sind und mache drei Kreuze, dass wir heute wieder Psychotherapiesitzung haben und nur noch 3 Wochen bis zur stationären Aufnahme zu überbrücken sind. Der Kobold tropft irgendwann mal wieder viel zu spät ins Esszimmer, starrt verliebt auf sein Handy, an dem anscheinend seine Freundin gerade wieder ein Herzchen geschickt hat, rennt gegen den Türrahmen und hat noch genau 10 Minuten für Tabletten, Frühstück, Anziehen, Zähneputzen und fertigmachen.
Der Heuschnupfen hat inzwischen seinen Höhepunkt erreicht und der arme Kerl kann kaum noch atmen.
Nebenher habe ich alle Butterdosen für den heutigen Tag fertiggemacht und die Kinder haben wie die Heuschrecken den Frühstückstisch leergegessen.
Nacheinander verabschieden sie sich und das Haus wird ruhiger.

Ich beginne meine Tierversorgungsrunde, füttere die Wachteln, suche nach Eiern, reiche ein paar Mehlwürmer an und lasse die Hasengruppe in den Garten. Der Hund weicht mir nicht von der Seite, bis er ein Stück Hasenapfel bekommt, den er dann empört wieder ausspucken kann. Jeden Tag das gleiche Spiel.
Der Kater des großen Tochterkindes hat inzwischen sein Frühstück beendet und geht wieder jagen. Meine alte Katzendame, die in unserem Schlafzimmer wohnt, sieht vom Fenster aus zu und maunzt laut.

Nach einer heißen Dusche, die den Rest Kopfschmerzen vertreibt, begrüße ich das Tochterkind, das verschlafen im Nachthemd die Treppe herunterkommt, weil es Dienstags nur von der 5. bis zur 10. Stunde Schule hat und fahre einkaufen.
Eine Stunde später lade ich die Einkäufe aus, verräume sie, stelle die 3. Waschmaschine und die 2. Geschirrspüle des Tages an und bereite das Mittagessen vor.
Dabei bespreche ich mit dem Tochterkind ihre Operation nächste Woche und ihren aktuellen Wochenplan. Sie hat sich vor drei Tagen endgültig entschieden, die Schule in vier Wochen zu beenden und das Abitur nicht zu machen und nun ... ist es doch sehr knapp mit Ausbildungsplätzen.
Ich möchte nicht mit ihr tauschen, war während der gesamten Diskussion "Team Abitur", weil ich weiß, wie gut mir gerade die letzten beiden Jahre vor dem Abi getan haben, aber hey, ihr Leben, ihre Entscheidung. Wird halt hart jetzt, aber sie muss da nicht alleine durch.
Ihr leiblicher Vater versucht gerade, ihr Steine in den Weg zu legen, wo es ihm möglich ist, das ist eine zusätzliche Belastung, die eine knapp 16jährige auch nicht mal eben wegstecken kann.
Auch da gibt es viel Gesprächsbedarf und mir wird einmal mehr klar, warum ich mich vor 14 Jahren von diesem Mann getrennt habe.
Achja, nebenher fällt ihr noch ein, dass sie vergessen hat mir zu sagen, dass sie morgen mit der Schule nach Köln fährt.

Ich mache unsere Buchhaltung - wie jeden Tag - und stelle meine Budgetplanung auf die neuen Umstände wegen der Ausbildung des Tochterkindes um.
Irgendwann verlässt dieses dann auch endlich das Haus, es ist 11 Uhr, eine der Schulen ruft an. Der Kobold könne unmöglich weiter am Unterricht teilnehmen, seine Augen seien so geschwollen, dass er nichts mehr sehen könnte.
Ich lasse alles stehen und liegen und setze mich ins Auto, fahre die 8 Kilometer zu seiner Schule und muss mich bemühen, beim Betreten des Sekretariats nicht laut loszulachen.
Der Kobold und zwei seiner besten Freunde - allesamt hochgewachsene kräftige Kerle in der Pubertät, die der ein oder anderen Prügelei nicht abgeneigt sind - sitzen da auf der Bank wie ein Häufchen Elend und halten sich Taschentücher an die tränenden Augen. 
Ich nehme Meinen mit und fahre nach Hause.
Dem großen zeternden Sohn verabreiche ich die Notfall-Augentropfen, die wie bescheuert brennen und verfrachte ihn bei geschlossenen Türen und Fenstern ins Wohnzimmer, bis sich alles beruhigt hat.

Wieder ins Auto - den närrischen kleinen Tuk abholen. Normalerweise läuft das Kind die zwei Kilometer, heute wird es wegen Psychotherapie des Zusatzkindes zu knapp. 
Spontan entscheide ich, den kleinen Sohn beim Kobold zu lassen, der ja jetzt ungeplant zuhause ist.
Dann muss das arme Kind nicht wieder eine Stunde mit mir im Auto unterwegs sein und eine weitere Stunde in einem Wartezimmer sitzen. 
Ich liefere den kleinen Sohn beim großen Sohn ab, gebe letzte Anweisungen bezüglich Hausaufgaben und fahre das Zusatzkind1 von seiner Schule abholen.

Um 11:50  Uhr steigt es ins Auto, um 12 Uhr stehen wir bei dem Mann vorm Büro und fahren zu dritt zur Psychotherapie.
Nach 15 Kilometern und einer halben Stunde Fahrzeit durch die Baustellen der Nachbarstadt kommen wir an.
Dass das Zusatzkind suizidal ist, ist bekannt, da leben wir jetzt schon einige Zeit mit, und als es dann erklärt, wie es sich in den Kopf schießen will, sehe ich mein Bauchgefühl bestätigt, dass es massiv schlimmer wird und bin froh, den Mann gebeten zu haben, heute mitzukommen. 

Eine Stunde später sitzen wir im 5 weitere Kilometer entfernten Krankenhaus in der psychiatrischen Notaufnahme und führen ein Gespräch mit einer furchtbar jungen aber recht kompetent erscheinenden Ärztin, die eine Aufnahme befürwortet.
Das Kind nickt erleichtert, wir nicken erleichtert, die nächsten 48 Stunden dürfen alle Seiten mal zur Ruhe kommen, mehr sieht diese Krisenintervention erst einmal nicht vor. 

Der Mann bleibt als allein Sorgeberechtigter mit ihr vor Ort, ich fahre 20 Kilometer nach Hause, sammle die 4 Kinder ein, die gerade dort sind (und sich alle ordentlich was zu essen und Hausaufgaben gemacht haben - ein Hoch auf größere Kinder!) und packe Sachen in eine Tasche.

Weil heute eine Freundin des großen Tochterkindes alleine vorbeikommt, wenn das Tochterkind noch in der Schule ist und diese dann vor verschlossenen Türen stehen wird (und ich auch keine Handynummer von ihr habe), packe ich Essen und Trinken in eine Kühlbox und schreibe einen großen Zettel, dass wir im Krankenhaus sind und sie es sich auf der Schaukel bequem machen soll bis die Tochter kommt. Der Hund wird noch einmal durch den Garten gejagt und dann werden alle Kinder ins Auto gepackt. 

Wieder 20 Kilometer durch die Baustellen zum Krankenhaus, wo das Kind schon auf Station ist und der Mann die vergangene Stunde an der Straße wartete.
Als wir zu ihr auf die Station gingen, um ihr eine ruhige Zeit und alles Gute zu wünschen, unterhielten sich Sohn1 und Zusatzkind2 lautstark über das Verbot von Schnürsenkeln und das Fehlen der Fenstergriffe im Gebäude und ich war kurz davor, die Hälfte der Kinder in unser Auto zu sperren.

Unser Erscheinen und das ihrer Geschwister löste prompt wieder einen großen Stressschub aus und so verabschiedeten wir uns recht zügig von ihr. 

Auf dem Nachhauseweg bekomme ich einen Anruf des großen Tochterkindes, was denn passiert sei.
Ich erkläre kurz, was los ist dass wir jetzt noch kurz etwas essen fahren würden und dann in einer Stunde da wären.
Sie bekommt einen hysterischen Lachanfall.
Sie hätte ihren Schlüssel vergessen. Ich wünsche viel Spaß im Garten und wenn sie mal müssten - vor dem Rhododendronbusch könnten sie gehen...

Eine Stunde später sind wir zuhause und zwei hibbelige Mädchen empfangen uns schon am Tor. 

Wir haben noch 5 Minuten, bis sie zum Kampfsport müssen und der Mann hat immer noch alle seine Sachen in seinem Büro liegen, weil er ja eigentlich nur während der Mittagspause mitgefahren ist und nach der Therapiestunde weiterarbeiten wollte.
Der Mann kommt gerade noch rechtzeitig, bevor das Gebäude geschlossen wird und kaum wieder zuhause, fährt er die Mädchen (die inzwischen frisch gemacht, satt und nicht mehr durstig sind und ihre Sportklamotten gepackt haben) zum Dojo.

Ich ziehe die allabendliche Tierrunde ein paar Stunden vor, verfrachte alle Tiere in die passenden Ställe, verteile Futter und frisches Wasser, wir scheuchen die Kinder durch die Dusche, Hunger hat keiner mehr und dann schieben wir sie in ihre Zimmer. Für heute ist Schluss.

Nicht für uns. Der Mann backt sich noch Brot für morgen, ich falte noch ein bisschen frische Wäsche weg.
Wir haben jetzt noch die Vorbereitung für die morgige Kassenprüfung vor uns und dann gibt es entweder noch einen Film oder einen gemütlichen Abend im Garten auf der Hollywoodschaukel.

Ein bisschen Redebedarf habe ich bezüglich des heutigen Tages nämlich auch noch.

Kati 05.06.2018, 18.00| (1/1) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Alltag



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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