Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Alltag

Wochenende - das Grauen in drei Akten

Das Wochenende startete Freitagmittag super mit Besuch und Party und vielen pubertierenden wunderbaren Jungs, die halbnackt mit Waffen durch mein Haus turnten. Ich lieb die so sehr. Alle.

Der Samstag war morgens von Alltag geprägt. Aufräumen, einkaufen, Besucher wegbringen, Planungen.

Mittags klappte der Mann ins Bett und murmelte was von Bauch und Schüttelfrost.
Ich kochte Hühnersuppe und hoffte, dass es überschaubar bleiben würde. Die Kriegerprinzessin und der närrische kleine Tuk fühlten sich auch nur so mittel.
Ich beschäftigte die Kinder mit Geheimagenten-Training und war eigentlich ganz guter Dinge, dass wir nicht alle von Bakterien oder Viren geentert werden.

Irgendwann am Nachmittag bekam der Sohn starke Bauchschmerzen und schlief einfach so auf dem Sofa ein.
Die Mädchen, der kleine Sohn und ich fuhren noch einmal einkaufen. Limo und Zwieback holen. Und Pizza für uns Gesunde.
Bei Film, Zwieback und Pizza war der Abend einigermaßen auszuhalten. Der Sohn wurde wieder munter, dem Mann ging es besser, die beiden großen Mädchen waren ohne Symptome.
Um 10 Uhr verabschiedeten wir die Kinder ins Bett und sanken in die Sofakissen.

Der große Sohn kam wieder runter. Bauchkrämpfe. Wir versuchten Badewanne, heißes Getränk, Wärmflasche, Bewegung - nichts.
Also Ablenkung und warten und alle 10 Minuten auf die Toilette. Wir spielten Runde um Runde Rayman Legends. Zwischendurch immer wieder ins Bad. Nichts.
Weit nach Mitternacht hatte sich alles so weit beruhigt, dass er mit Wärmflasche ins Bett gehen konnte.
Der Mann und ich saßen noch am Computer, bis im Obergeschoss Ruhe einkehrte und gerade als wir gegen halb 2 Uhr nachts ins Bett sinken wollten, eilte das große Tochterkind die Treppe runter Richtung Kinderbad.

"Ist dir schlecht?", rufe ich ihr im Vorbeigehen zu und sie nickt nur, mit der Hand vor dem Mund.
Eine halbe Stunde später ist die Pizza wieder draußen und das Kind geht mit Spuckschüssel wieder ins Bett.

Ich rechne halb mit dem nächsten Kind, schlafe dann um viertel nach 3 Uhr nachts endlich ein.

Um kurz vor 8 Uhr morgens steht das große Zusatzkind im Schlafzimmer - sie glaubte, ihr wäre schlecht und sie müsse sich übergeben.
Wir springen also aus dem Bett und reichen Schüssel, Waschlappen und Handtuch. Gerade noch rechtzeitig. Ich bin dankbar, dass wir wenigstens ein paar Stunden schlafen konnten.

Den Morgen verbringe ich mit Waschen, kümmern und Kinder ablenken. Inzwischen haben wir fast alle Kleinlinge bei Rayman befreit und ich nähere mich dem goldenen Kleinling. Ich merke, dass mein Magen auch langsam ungnädig wird, schiebe es aber auf den Stress.
Die Kinder sind bis auf das Zusatzkind alle wieder recht fit. Der Mann hat auch wieder normale Gesichtsfarbe. Nachmittags gebe ich einmal meine kompletten Mahlzeiten wieder von mir und bin extrem froh darüber, dass wir zwei Badezimmer haben, so dass mir eines jederzeit zur Verfügung steht.

Heute Morgen um halb sieben der Anruf, dass der beste Freund des Sohnes nicht zum vereinbarten Treffpunkt kommen kann - er hängt über der Kloschüssel.

Achja. Dieses Leben.

Kati 15.01.2018, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Ein Freitag

Seit vielen Monaten darf heute bei uns mal wieder ein normaler Freitag sein.

Freitag - das heißt, es kommen Gäste. Viele Gäste. Die auch alle hier schlafen. Das bedeutet auch Unmengen an Essen, die ich für alle Kinder und alle Besucher anschleppe. Umräumen, zusammenrücken, den Tisch ausziehen, Filmnächte, Spiele-Battles, Raufereien und Kämpfe.

Da verlaufen die Grenzen zwischen Geschwistern und Freunden plötzlich fließend.
Da finde ich den besten Freund des Sohnes plötzlich bei der großen Tochter wieder, die ihm Computerdinge oder sein Handy erklärt, da gehen die Freunde des Sohnes plötzlich mit der Kriegerprinzessin in den Kaninchenstall und ich finde 3 laute Testosteronbolzen plötzlich uhhh, sind die flauschig-flüsternd im Garten wieder.
Da wirft sich der närrische kleine Tuk in Schale und attackiert in kompletter Ninja-Nerf-Gun-Ausrüstung in einem Überraschungsüberfall plötzlich die älteren Geschwister samt Freunden, die johlend durchs Haus flüchten und sich Verstecke suchen.

Das Haus ist laut - noch lauter als sonst, es vibriert förmlich vor Abenteuer und Energie und ich liebe es.

Als mein Bandscheibenvorfall so akut war, ging das nicht mehr.
Ich hatte solche Schmerzen, ich konnte kaum irgendjemanden ertragen.
Und dann schon gar nicht Besucher, die mir nachts entgegengeistern.
Nach zwei Monaten gingen Besucher über Tag wieder einigermaßen, aber nur einzeln.
Mehr konnte ich nicht ertragen, meine Nerven waren so unglaublich dünn.

Seit die Nervenschmerzen weg sind - seit Weihnachten - konnten die besten Freunde der Kinder wieder hier schlafen.
Ich kenne sie alle seit Jahren und die Monate ohne sie waren irgendwie seltsam.
Meine Kinder haben ihre Freunde zwar getroffen, aber eben nicht mehr hier.
Sie waren dann außer Haus und so notwendig das für meine Ruhe war, so seltsam war es eben auch.

Aber zurück zu den Freitagen.
Freitage sind besonders.

Kinder gehen, Kinder kommen, besonders der große Sohn veranstaltet Wochenend-Events, bei denen er zwei bis fünf Freunde einläd und dann halbstarke pubertäre Jungs durch mein Haus poltern, brüllen, auf ihre ganz eigene unnachahmliche Art und Weise Kuchen backen ("Alter, man muss das Ei 3 Minuten unterrühren, du Opfer! Sogar der Hund sieht, dass das Kacke ist!") und auch ansonsten jede Menge Spaß haben.
Wir sind das einzige Haus, das diese Veranstaltungen jede Woche möglich machen kann.

Anfang dieser Woche habe ich dem Sohn mitgeteilt, dass ich mich - glaube ich - bereit fühle, wenn seine Freunde diesen Freitag das erste Mal wiederkommen würden und ein großes breites Strahlen ging über sein Gesicht.

Ich weiß zwar noch nicht, wie es mir morgen geht, aber heute freue ich mich erst einmal darauf, sie alle wieder hier zu haben.

Kati 12.01.2018, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Die Woche vor Weihnachten

Natürlich ist der Großteil der Geschenke bereits seit Wochen verpackt und natürlich habe ich bei insgesamt 8 Personen in den letzten Tagen vor Weihnachten trotzdem noch einiges einzupacken.

Die Kinder müssen die komplette Woche noch in die Schule gehen, also habe ich trotz Physiotherapie und Übungen und meinem Schneckentempo noch ausreichend Zeit, dachte ich.

Die letzte Woche vor Weihnachten beginnt dann spontan mit einem kranken Kind. Das Kind, dessen Lehrer gerade alle wegen Magen-Darm-Grippe zuhause sind. Ich bin also in erhöhter Alarmbereitschaft, gebe Schüssel und Tücher aus und reduziere das Nahrungsangebot. Sehr zum Leidwesen des Kindes, dem ja "nur ein bisschen schlecht und vielleicht muss ich mich übergeben" ist.
Haha.
Nein.
Da bin ich eher nicht so der risikofreudige Typ. Ich verbringe meinen Vormittag statt mit Geschenkpapier also mit Putztüchern und Desinfektionsmittel und hänge Kuschel-Verbotsschilder aus. Bei unseren Kindern der wichtigste Schritt, damit nicht 8 Leute gleichzeitig kotzen müssen. Die schmusen sich nämlich andauernd und für Bakterien und Viren ist das hier das reinste Eldorado.
Es stellt sich schnell als Fehlalarm heraus, das Kind ist wieder munter und kann am nächsten Tag zur Schule gehen.
Die Geschenke warten in ihren Verstecken auf mich. Immer noch.

Der Dienstag beginnt mit meiner Physiotherapie und einem langen Spaziergang und ich freue mich aufs Einpacken der letzten 10-20 Geschenke. Dann hab ich es geschafft. Ich werfe alles von mir, hole mir eine Buttermilch aus dem Kühlschrank und das Telefon klingelt. Die große Tochter ist dran und verkündet weinend, dass sie in der Freistunde nach Hause käme. 15 Minuten später ist sie da, und ich habe nach dem ersten Zuhören das starke Verlangen, ihre Arschkrampe von Freund mit einer Axt zu besuchen.
Der kleine Braunbär übernimmt den Seelentröster und als sie auf dem Sofa sitzt, das Kalb von einem Hund auf dem Schoß hat und Eiscreme löffelt, erfasse ich das ganze Ausmaß dessen, was da passiert ist.
Ich verbiete ihr, an diesem Tag noch einmal die Schule zu besuchen und wir reden erst zwei Stunden lang und spielen dann xBox-Spiele gegeneinander.
Für den Seelenfrieden.
Aber die Geschenke sind immer noch nicht verpackt.

Am nächsten Tag will sie sich eigentlich todesmutig dem Feind stellen, bekommt dann aber direkt vor der Haustür einen Panikanfall und ich beschließe, dass das kein guter Zeitpunkt oder Zustand ist, sich einer geliebten Person und dem Verrat in blond zu stellen.
"Ich kann doch nicht einfach schwänzen.", murrt sie schluchzend und ich sage schlicht: "Doch. Kannst du."
Ich schwänze an diesem Tag das Geschenke einpacken...

Inzwischen ist es Donnerstag, mit Unterstützung all ihrer Leute aus ihrer Clique legt das große Kind einen souveränen Auftritt in der Schule hin und ich bin verdammt stolz auf sie. Auf sie und ihre großartigen Freunde, die die letzten beiden Tage damit verbracht haben, einen riesigen Geschenke-Liebeskummer-Wirsindfürdichda-Korb zusammenzustellen.
Die jede Aktion des neuen Pärchens so kommentieren, dass es beim Erzählen sogar für ein paar Schmunzler bei der Tochter reicht.
Sie hatte die Größe, ihm ihr Weihnachtsgeschenk zu geben. Ganz ruhig und mit stolzen Worten zum Abschied. Ich bete dieses Kind einfach an.

Zurück zu den Geschenken.
Für den Donnerstagmorgen zerschlugen sich meine Hoffnungen recht schnell, denn die Schulen hatten abwechselnd keine Lehrer, einen Sporttag, Theateraufführung oder Unterrichtsausfall.
Das bedeutete, das erste Kind ging um 7 Uhr aus dem Haus, das letzte um 11 Uhr. Um 11:45 Uhr kamen die ersten Kinder dann wieder nach Hause.
Haha.
Der große Sohn war voller Panik, weil er weder seine Busfahrkarte noch seinen Schülerausweis fand und der Meinung war, er hätte sie verloren.
Die Kriegerprinzessin maulte den ganzen Tag herum, dass die Weihnachtsferien für sie gelaufen seien, wenn sie heute nicht ihr Lieblingspferd reiten dürfte, der kleine Sohn war ein Pulverfass, das mir hinterher eskalierte.
Es war nicht schön.

Also musste der Mann alle Kinder mit zum Reiten nehmen, damit ich eine Stunde am Nachmittag für die Geschenke hatte. Inzwischen war ich in genau der prämenstruellen Phase angekommen, an dem alle meine Gelenke und der Rücken wie blöd weh tun und ich bei jeder Bewegung Schwindelanfälle bekam. Ich packte in einer Stunde ca. 3 Geschenke ein.

Der Abend war auch nicht viel besser - erst war das Lieblingspferd heute an ein anderes Kind gegangen und man selbst hatte den ollen Klepper, der nur im Schneckentempo galoppiert, dann waren die Chaps kaputt und nach dem Abendessen hatte das große Zusatzkind einen Nervenzusammenbruch zum Thema Minderwertigkeitskomplexe.
Zwei Stunden seelische Aufbauarbeit später sind wir dann mit noch einer Folge "The last Ship" ins Bett gefallen und meine Rückenschmerzen erreichten ihren traurigen Höhepunkt.

Die Nacht verlief grauenhaft und heute habe ich noch genau zwei Stunden Zeit am Morgen - sofern kein Kind krank wird, früher nach Hause kommt oder sonstiges passiert - meine Geschenke einzupacken.
Mittags kommt wieder Besuch bis morgen, nachmittags feiern, dass wir Weihnachtsferien haben, dann geht der Mann mit Kindern in den neuen StarWars-Film, das Tochterkind mit Freundinnen in "Coco", der Hund müsste eigentlich noch zum Impfen, aber das kann ich auch auf nächste Woche schieben.

Morgen folgt um 7 Uhr morgens der Großeinkauf für die Weihnachtsfeiertage, ich habe immer noch keine Ahnung, was wir an allen Tagen essen sollen (bitte keine süßen Tiere auf dem Tisch, die mal Fell oder Federn hatten für die Kriegerprinzessin, bitte nicht so viel Gemüse für 4 von 6 Kindern, bitte nur Nudeln mit Ketchup für 1 von 6 Kindern, bitte möglichst festlich mit Ente und Hase und allem Zipp und Zapp für 2 von 6 Kindern, die Erwachsenen wollen einfach nur schlafen und vielleicht mal nen Döner holen...), mittags stehen die traditionellen Weihnachtsfotos der Kinder an und nach dem Mittagessen kommt der Vater des großen Tochterkindes mit ihrer Stiefmutter zu Besuch und feiern schon mal Vorweihnachten.

Zwischendurch kommen immer mal wieder Päckchen und Pakete von drei verschiedenen Verwandschaftskreisen, die 6 Kinder von insgesamt 4 Elternteilen nun mal haben. Das sorgt nicht gerade für geschwisterliche Eintracht, aber übt immerhin in Selbstdisziplin und Großmut...

Der Sonntag ist der heilige Abend und dort hat das Beisammensein seinen Platz, da will ich nichts mehr einpacken. Wir gehen zum Gottesdienst, spielen zusammen, schauen vielleicht einen total schnulzigen und rührseligen Weihnachtsfilm und feiern den Geburtstag von Jesus.
Geschenke packen wir zum Glück seit vielen Jahren erst am traditionellen Weihnachtsmorgen des ersten Weihnachtsfeiertages aus.

Dabei werde ich dieses Jahr vor Erschöpfung vermutlich einfach auf dem Sofa einschlafen.

In diesem Sinne - ich bin dann mal packen.

Kati 22.12.2017, 12.00 | (4/3) Kommentare (RSS) | PL

Der eine Moment

Ich hatte gerade wieder einige Kilometer Langstrecke hinter mir und besuche noch kurz meinen Lieblingssupermarkt - aber auch nur, um mir morgens um 8 Uhr mein Lieblingsheißgetränk abzuholen.
Ich will gerade beschwingt den Laden betreten - da sehe ich sie, wie sie herauskommt.

Mein Herz macht einen Hüpfer.
Wir haben uns die letzten Jahre jeden Tag beim Kinderwegbringen im Kindergarten gesehen und oft und viel miteinander geredet.
Vor drei Jahren nahmen wir beide an einer Weiterbildung zum Thema "Gewaltfreier Umgang mit Kindern" teil, bei der sie mir sehr ans Herz gewachsen ist.

Ich war ihr Partner. Und ich spielte ihren Mann - die Aufgabe war, über die Erziehung der Kinder einen Konsens zu finden.

Wir saßen uns also gegenüber und innerhalb weniger Momente wurde aus einer Übungssituation etwas, das ich sehr gut kannte.
Meine Aufgabe war, sie zu provozieren, damit sie üben konnte, ihm gelassener zu begegnen.
Sobald wir das Gespräch begannen, sank sie zusammen.
Sie wurde beim Sprechen ein winziges Häufchen Elend, das alle Tätereigenschaften in mir triggerte.
Ich sah diese wunderbare weiche Frau verblüfft an, die mir plötzlich alle Opfereigenschaften präsentierte, die man sich nur vorstellen kann.
Auf ihrer Stirn stand ein großes dickes "Sei gemein zu mir!".

Ich - in der Rolle ihres Mannes - sagte genau die Sätze, die sie mir vorher vorgegeben hatte und starrte sie an.
Sie hatte Angst.
Vor mir.
Adrenalin rauschte durch meine Adern. Wie viele tausend Male habe ich genau diese Situation in meiner Kindheit miterlebt, wie oft war ich früher sowohl Opfer als später auch Täter.
Mein Gehirn blinkte knallrot auf.

Stopp!, sagte ich laut.
Die Kursleiter und anderen Teilnehmer sahen mich verständnislos an.
Hatte es denn keiner gesehen? Ich sah ihr in die Augen.
Eine Träne kullerte über ihre Wange und ich nahm sie in den Arm.
Ganz fest.

Wir gehen mal eben nach draußen., sagte ich mit fester Stimme.

In der kalten Winterluft holte sie tief Atem. Unsicher blickte sie mich an. "Danke.", sagte sie leise.

Er schlägt dich?, fragte ich ruhig. Sie nickte. Ich lächelte sie traurig an.

Willst du meine Hilfe?

Sie schüttelte den Kopf. Vorsichtig. "Ich kann ihn nicht verlassen.... ich..."

Ich nickte. Ich weiß schon. Das musst du ja auch gar nicht. Das würde auch nur gehen, wenn du tatsächlich bereit dazu bist. 

Dankbar sah sie mich an.
Nach diesem Tag haben wir nie wieder darüber gesprochen.

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All dies schießt mir durch den Kopf, als ich sie freudig begrüße und in die Arme schließe.
Ich hatte sie seit Monaten nicht mehr gesehen.

Sie sieht mich unsicher an. "Ich habe ihn verlassen.", sind ihre ersten Worte an mich.

Ich strecke vorsichtig die Hand nach ihrem Gesicht aus und berühre sie ganz sachte an der Wange.
Dort, wo die Haut nur noch gelblich schimmert, direkt unter dem Auge.
Du bist eine starke Frau., flüstere ich und uns beiden laufen Tränen über das Gesicht.

Und so stehen wir da, nur in unsere Welt versunken, während die Menschen um uns herumgehen. Es ist alles egal. Das Hier und Jetzt ist so groß, da ist kein Platz für irgendetwas anderes mehr. Eine halbe Stunde stehen wir dort, ich lasse sie erzählen, von den Zweifeln, von dem einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, als er sie mitten in der Nacht betrunken aus dem Bett zerrte und sie vor den Kindern an den Haaren durch die Wohnung schleifte. Sie schlug. Immer und immer wieder. Wie die Kinder geweint haben. Und wie ihr großer erwachsener Sohn mit der Polizei nach Hause kam und ihr seit diesem Tag nicht mehr von der Seite wich. Wie er sie zum Gericht begleitet hat, damit ihr Mann sich ihr nicht mehr nähern darf.

Und davon, wie verloren sie sich nun fühlt, wo alle ihr gratulieren und sie einfach nur einsam ist.

Ich kann sie so gut verstehen.
Oft hört Hilfe für Opfer genau dort auf, wo sie beginnen, sie zu brauchen.
Es ist nicht plötzlich alles gut, nur weil man mit dem Täter nicht mehr zusammen ist.
In den Köpfen der meisten Menschen ist ein Happy End, was für diese Frauen der Beginn der einsamsten Reise ihres Lebens ist.

Als wir uns verabschieden, drückt sie mich noch einmal ganz fest an sich. "Du hast mir sehr geholfen. Du weißt schon, damals? Ich hatte das erste Mal im Leben das Gefühl, dass mich jemand sieht. Und ab da konnte ich mich plötzlich auch sehen."

Der Gedanke, dass sie trotzdem noch drei weitere Jahre jeden Tag geschlagen wurde, bis sie bereit war, ist bitter. Ich schiebe ihn beiseite.

Sie hat es geschafft. Und das ist für diesen einen Moment alles, was zählt.

Kati 20.12.2017, 12.00 | (2/0) Kommentare (RSS) | PL

Herbstferien [Liebe]

Die Herbstferien sind fast vorbei und es macht mich wehmütig, auf die nächsten Tage zu blicken.
Zwei Wochen mit den Kindern liegen hinter mir und ich habe sie sehr genossen.

Irgendwann in der Mitte der ersten Woche saßen wir gemeinsam am Tisch und die große Tochter seufzte: "Es ist so schön gerade. Wie früher."

Und ihre Geschwister stimmten ihr traurig nickend zu.

Mir blieb fast das Herz stehen vor lauter Schmerz.

Ja, es war wie früher. Die Harmonie, die Vertrautheit, die gemeinsamen Unternehmungen, das Verständnis untereinander.
Das ist die Familie, die ich kenne und geliebt habe.

Morgen kommen die Zusatzkinder wieder. Und die Giftigkeiten. Die Kommentare. Die Übergriffigkeiten. Die Urteile. Und ihre Verachtung für alles, für das wir stehen.

Abgrenzung wird wieder unser Thema sein, wo wir zwei Wochen lang einfach nur wir sein durften. Offen und verletzlich, wo nun wieder Schutzschilde hochgehalten werden müssen.

Irgendwann, in vielen Jahren werde ich ihnen sagen, wie unendlich leid es mir tut, dass wir eine derart falsche Entscheidung getroffen haben.
Und wie viele Tränen ich um uns geweint habe.

Und dann kann ich nur noch hoffen, dass sie mir das eines Tages vergeben können.

Kati 03.11.2017, 13.00 | (0/0) Kommentare | PL

Wenn es knallt, dann richtig...

Der Morgen war nach einer Tagesdosis Schmerzmittel und meinem Gang zum Physiotherapeuten eigentlich nicht mehr so schlecht.
Die Physiotherapeutin war angetan vom Zustand meiner Muskeln und gab mir ein enthusiastisches GO! für mein weiteres Training und stellte mir in einigen Wochen Beschwerdefreiheit in Aussicht, wenn ich so weitermache.
Massage tat heute kaum weh, obwohl diese zwar kleine aber sehr kräftige Person mit ganzem Gewicht in meinen Schultermuskeln hing.
Gutes Zeichen.
Fortschritt, wo ich in meiner tagtäglich gefühlten Isolation zuhause nur Stillstand wahrnehmen konnte.
Es geht weiter. Langsam. Aber weiter.

Zuhause öffnete ich freudestrahlend die Tür, weil ich das erste Mal den Berg zu unserem Haus im Eilschritt hochmarschieren konnte, ohne zu schnaufen oder von Rentnern mit Krückstock überholt zu werden und sah in vier weinende Kindergesichter.
Scheiße.

Zuhause hatte es in meiner Abwesenheit ordentlich geknallt und pubertäres Kompetenzgerangel ist nun mal eine hochexplosive Angelegenheit.
Die beiden Kleinen haben zuerst gepiesackt, als die Großen aneinandergerasselt sind und haben dann später aus Solidarität einfach mitgeweint, weil ihnen die Situation zuviel war.

Meine Enttäuschung war mir wahrscheinlich deutlich anzusehen und als ich alle leise bat, in ihre Zimmer zu gehen, damit ich mich abregen kann, funktionierte das ohne Murren.

Meine Schultern verkrampften schon wieder und ich entschied, trotz des schweißtreibenden Spaziermarschs noch ein paar Übungseinheiten für den Rücken und die Schultern zu absolvieren.
Als ich nach meinem Training nach oben an den Computer ging, lagen dort bereits erste Entschuldigungsbriefe.

Vielleicht ist es ja doch noch möglich, dass wir gleich alle zusammen meinen Geburtstagskuchen vorbereiten, ohne uns gegenseitig umzubringen.

Kati 24.10.2017, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Zeugnistag

Letzter Schultag, Zeugnistag.

Die Zeugnisgeschenke sind verpackt und liegen hier.
Nicht für gute Noten, sondern für die täglich absolvierte Arbeit.

Für Pflichtbewusstsein und die Fähigkeit, auch mal an bescheuerten Tagen und ohne viel Lust den Schulalltag absolviert zu haben.

Kind6 mault ununterbrochen, dass es ja nun eigentlich schon ein Schulkind sei und mokiert, noch kein Zeugnis bekommen zu haben.
Dabei fällt mir ein, dass ich ihn mal dazu zwingen sollte, mit mir endlich mal Schulranzen begutachten zu fahren...

Das Zeugnis von Kind5 habe ich schon vor einigen Tagen gesehen, es ist und bleibt wie erwartet ein absoluter Überflieger.
Kann alles, weiß alles, ist beliebt, hat Freunde, hilft und lebt den jähzornigen Dickkopf anscheinend nur hier zuhause in schöner Regelmäßigkeit aus.
Genie und Wahnsinn und so.
Sie ist ein Kind, das sich gerade in Tiere so gut einfühlen kann, dass mir manchmal vor Ehrfurcht die Luft wegbleibt. Das bezieht sich zwar weniger auf den Chaosbruder, aber auf alle anderen Wesen. Sie kann mit bissigen Pferden so gut umgehen wie mit Hasen, Hunden, Katzen, sammelt grundsätzlich jedes noch so zerfledderte Tier ein und hat große Fortschritte darin gemacht, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren.

Kind4 hat sein erstes Jahr auf der weiterführenden Schule gut überstanden und mein Sorgenbaby hat es geschafft, vom schulehassenden MotzKobold zu einem in sich ruhenden sensiblen Fast-Teenager zu reifen, der viele gute Freunde hat (die hier mitunter fast wohnen) und der auch in der Schule gut mitkommt. Mal gibt es eine Fünf, mal gibt es Einsen, im Normalfall pendelt er zwischen guter und befriedigender Leistung.
Er behauptet sich auf dem Schulhof auch gegen große Fieslinge und stellt sich aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit auch vor seine Freunde.
Er ist großartig. Hochsensibel und endlich in seiner Mitte.

Kind3 - Zusatzkind2 - wird auch hier wieder versuchen, nicht aus der Masse hevorzustechen.
Ich erwarte viele Dreien und Vieren und keine besonderen Bemerkungen.
Er ist einer von Vielen und möchte auch nichts Besonderes sein.
Darauf wurde er in seinem früheren Leben programmiert und daran arbeiten wir mit der Familientherapeutin.
An Interesse, Gefühl und dem Gespür für das eigene Ich. Der Weg ist noch lang.

Kind2 - meine strahlende Erstgeborene und Dramaqueen, Giftbeere und Kronprinzessin - ihr Zeugnis wird sie wiederspiegeln.
Einsen, wo ihr Interesse brennt, Dreien, wo sie keine Lust hat.
Und endlich eine Oberstufenschülerin.
Sie besucht eine Schule, deren Anspruch hoch ist und ich bin sehr zuversichtlich, dass sie die letzte Strecke zum Abitur mit Bravour absolviert.
Ihr Freundeskreis ist über die Jahre gewachsen und gefestigt, ich liebe und schätze alle ihre guten Freunde sehr.
Sie kann ihre Bedürfnisse kommunizieren, ist ein absoluter Kopfmensch mit viel Herz.
Sie treibt mich zur Verweiflung und in den Wahnsinn und ihr 10-Jahresplan mit Auszug nach dem Abitur und Studium und Wohnungseinrichtung und Nebenjobs erfüllt mich mit Stolz und Wehmut gleichermaßen. Sie ist doch noch so klein...

Kind1 - Zusatzkind1 - hat einen ähnlich schweren Rucksack zu tragen wie Zusatzkind2.
Sie wird ein absolutes Vorzeigezeugnis mit nach Hause bringen.
Nur Einsen und vielleicht in Sport eine Zwei oder Drei, für die sie sich innerlich zerfleischen wird.
Sie hat die Gabe, schreiben zu können, hoffentlich endlich für sich angenommen und kommt langsam aus sich heraus. Ihr Fokus liegt auf Träumereien und allen Dingen, die nicht Gefahr laufen, Realität werden zu können. Sie ist in der Lage, komplexe Zusammenhänge aus jedem Wissensgebiet schriftlich darzulegen, aber sobald man sie etwas fragt, das auch nur im Entferntesten die Gefühlsebene streifen könnte, verwandelt sie sich in ein kleines schwarzes Mäuschen, das man unter Androhung von Schlägen in einer Fremdsprache nach dem Weg gefragt hat.
Auch hier bin ich dankbar für die Frau, die uns inzwischen schon ein Jahr als Therapeutin begleitet.
Ihr Weg wird deutlich länger werden, auch darum bin ich glücklich über das zusätzliche Jahr, das ihr nächsten Sommer durch den Schulwechsel auf die höhere Schule zu Kind2 geschenkt werden wird.
Es wird sicher nicht immer einfach sein, eine Klasse unter der eigentlich jüngeren Stiefschwester zu sein, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das gut begleiten können.

Ich bin heute sehr dankbar für diesen letzten Schultag.

Ich freue mich darauf, 6 Wochen lang NICHT jeden Tag morgens bis zu 11 Frühstücks- und Mittagsdosen herrichten zu müssen und auch einfach mal bis 7 Uhr morgens liegen bleiben zu können.

Ich war noch nie so urlaubsreif wie dieses Jahr.

Kati 14.07.2017, 12.00 | (3/3) Kommentare (RSS) | PL

Glaubensfrage

"Mamaaaa, wo wohnt Gott noch mal?"

Das kleinste Kind kräht mich noch halb verschlafen beim Frühstück an, weil es gerade über Weltall und Himmel und Wolken und Luft und Sonne und überhaupt sinniert hat.
Dabei kam ihm irgendwie in den Sinn, dass es den Platz für Gott wohl vergessen haben muss.

Bevor ich noch irgendetwas sagen kann, keift ihn das Zusatzkind mal wieder reflexhaft an und belehrt ihn überheblich: "Es gibt keinen Gott!"

Ich seufze müde. Was hat man diesen Kindern nur angetan, dass sie anderen nicht ihre eigene Sicht der Dinge lassen können?

Das kleinste Kind zieht unbeeindruckt eine Augenbraue hoch.
Überartikuliert wendet es sich an die große Stiefschwester:
"Darum habe ich auch nicht dich gefragt,", erklärt es langsam, als würde es es mit einer äußerst ärgerlichen Form von Begriffstutzigkeit zu tun haben, "sondern Mama."

Ich entscheide mich, ihr abfälliges Seufzen und Augenrollen so früh am Morgen zu ignorieren.

"Gott ist überall, Butzemann. In mir, in dir, in allen Menschen, in jeder Blume, in jedem Tier, an jedem Ort. Im Weltall genauso wie hier auf der Erde."


"Das ist so schön, Mami!", freut sich der kleine Sohn und springt auf.

Ja. Das ist es.

Kati 06.07.2017, 12.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Vom nach dem Sterben

Der weltbeste Notar und Anwalt öffnet uns die Tür und ich bin wie jedesmal
ein bisschen verliebt.
In das alte Haus, in die Stuckdecken, in seine weißhaarige alte Agentenfilm-Sekretärin und in ihn.
Seine Stimme, seinen Geist und sein enormes Fachwissen, das es nicht geschafft hat,
die Menschlichkeit aus seinem Herzen zu verdrängen.

Die letzten Jahre hat dieser Mann uns bei so vielen Dingen begleitet.
Beim Hausverkauf, beim Hauskauf, in den Auseinandersetzungen mit Exmann und Exfrau um Kindesunterhalt.
Beim Sorgerechtsprozess um die Zusatzkinder, kurz: in allen rechtlichen Belangen.

Und natürlich hat auch er unser Testament verfasst.

Hier leben sechs Kinder, zwei erwachsene Menschen und eine pflegebedürftige Person.
Wir haben drei Kinder. Der Mann hat fünf Kinder. Ich habe vier Kinder.
Zwei der Kinder sind Halbwaisen.
Ein sorgeberechtigter Elternteil lebt nicht in diesem Haushalt.

Es geht um Immobilienbesitz, Erbanteile, Pflichtteilsansprüche, Vorsorgevollmachten und Vormundschaften.

Er hat es geschafft, all unsere Wünsche auf vier Seiten Testament unterzubringen.

Die Unterschrift kommt mir fast bedeutender vor als damals bei der Eheschließung.
Dies hier fühlt sich schwerer an.
Erwachsener.
Der Mann setzt seine Unterschrift unter meine.
Der Notar seine darunter.

Er lächelt uns an:
"Auf dass diese Papiere möglichst lange in der Schublade bleiben!"

So möge es sein.

Kati 05.07.2017, 12.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Sieben

Noch sieben Mal.

Noch sieben Mal das kleinste Kind morgens in den Kindergarten fahren.

Nur noch sieben Mal.
Im Sommer wird es vorzeitig eingeschult und ich darf, kann.. endlich... nach 12 unendlich langen Jahren mit Kindergartenkindern morgens eine neue Routine anfangen.

Ich bin müde. Und sehnsüchtig.
Die Entscheidung für kein weiteres Kind ist unumstößlich.
So richtig.
Und doch sind sie da, die Momente, in denen ich von dem Mann, der der Mann heute ist, so unglaublich gerne noch einmal schwanger wäre.
Noch einmal in meinem Alter mit der heutigen Erfahrung ein Kind austragen würde.

Obsolet sind sie, diese Gedanken.
Zu viele Argumente sprechen dagegen, zu hart haben wir gekämpft und zu viele Kinder haben wir verloren.
Die Zeit des Kindergebärens ist vorbei.

Sieben Male noch.
Dann habe ich sechs Schulkinder.

Ich fühle mich alt.

Kati 27.06.2017, 22.00 | (2/0) Kommentare (RSS) | PL



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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