Nur warten.

Im Verlauf der letzten 6 Monate zeichnete sich ab, dass der schwedische Nachlassverwalter und ich eine deutlich differierende Vorstellung vom Wort schnellstmöglich haben, so viel ist inzwischen klar.

Alle Unterlagen sind eingereicht, es wird von Staatsseite noch ein bisschen herumgekaspert, welches Land nun wieviel Anteil an welchem Vermögen haben möchte und bevor nicht alle Beteiligten zufrieden sind, kann Norvid, der Nachlassverwalter leider auch nicht seine eigene Rechnung stellen und damit schon mal gar nichts an mich auszahlen. Soweit, so gut. Zwischendurch war Norvid aber auch mal schlimm krank und konnte dann 6 Wochen lang nicht mal über diesen Umstand informieren, nutzt in jeder seiner Mails das Wort schnellstmöglich und allmählich habe ich den Eindruck, dass er google translate einfach auch nicht benutzen kann.

Das letzte Jahr war zermürbend für uns, auch in finanzieller Hinsicht. Die Aufenthalte und Begleitungen des Sohnes in Krankenhäusern, Spezialkliniken und Reha haben Unmengen an Zusatzkosten verschlungen, wir kämpfen mit Preiserhöhungen, alten Rechnungen, neuen Zuschlägen und theoretisch wäre es jetzt ein wahrer Segen, wenn die Nachlassangelegenheit in Gang käme. Nicht nur für mein Seelenheil, auch für unser Konto.
Ich weiß ungefähr, was auf mich zukommt. Es ist nur noch ein winziger Bruchteil dessen, was meine Herkunftsfamilie mal besessen hat, aber alle Schulden wurden bezahlt, alles Land, alle Gebäude, alle Fahrzeuge wurden verschenkt oder überschrieben, ich bekomme den Rest einer jahrzehntelangen Reise, die allen Beteiligten nicht gut zu Gesicht stand und werde in eine Zukunft investieren, die nichts mehr davon erahnen lässt.

Bin trotzdem dankbar, dass mein Vater sich an fast alle unsere in den letzten fünf Jahren getroffenen Abmachungen gehalten hat und ich jetzt nicht persönlich durch die Weltgeschichte gondeln muss, um rechtliche Dinge zu klären.

Ich muss nur warten.
Und das zerreißt mich.

Kati 31.01.2023, 10.42| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Vom Leben und Sterben

Umwälzung

Ich muss weg von Menschen, wenn der destruktive Zynismus überhandnimmt. Will sie demütigen, beschämen, kleinmachen. Kann nichts Positives mehr beitragen, will sie auf ihre Angst reduzieren, um mich besser zu fühlen. Es ist schwer, den Teil von mir willkommen zu heißen, der so viel Zerstörungspotential birgt. Nicht die Kontrolle verlieren, nicht nachgeben, zusammenhalten, was mit aller Kraft seine Spaltung offenbaren will. Ich merke seit Monaten, dass ein unumkehrbarer Prozess in Gang gesetzt wurde, der alles auf den Prüfstand stellt, was ich als in Stein gemeißelt betrachtet habe. Ich will das nicht. Ich mag keine Umwälzungen, ich mag keine Veränderungen, ich liebe den Status Quo, ich mag Berechenbarkeit, Stabilität und Vorhersagbarkeit. Über alle Maßen. Und nun rüttelt ausgerechnet das Innen an den Mauern meiner Festung. Bin nur ich es, die mein Leben als ideal betrachtet? Wem tue ich Unrecht, wenn ich meinen Alltag so lebe, dass er mir gut tut? Wir haben Regeln, aber wessen Regeln sind es? Wo endet meine Macht über ein System, das sich niemandem mehr beugen muss?

Kati 30.01.2023, 09.41| (2/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Das große Sterben

Es war zu erwarten.
Sie sterben.
Alle.
Die Zeitspanne, die ein Kaninchen lebt, ist überschaubar.
So große Tiere, wie wir sie haben, haben oft nur eine geringe Lebenserwartung. Kasimir war mit seinen 8 Jahren schon weit jenseits von Gut und Böse und auch wenn seine Art gerne vergessen ließ, dass er schon ein sehr altes Tier war, war er nun mal genau das.

Wir nehmen keine neuen Tiere mehr auf und züchten nicht, also wird das nun so weitergehen. Es ist erst wenige Wochen her, dass das Klößchen gegangen ist. Ich bin nicht bereit dafür, wirklich nicht. Es sind so viele unserer Kaninchen gerade am oberen Ende ihrer Lebenserwartung und ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.
Die Babykekse und die Kleinen haben immer geholfen, dass man die Hoffnung nicht verliert und nach vorne sieht, weil das Leben weitergeht, aber ein sich stetig leerender Stall bringt mich an meine Grenzen.

Meine Herztiere sind fast alle gegangen. Ich bin müde.

Machs gut, Miro. Du warst ein Ausnahmecharakter.

Kati 25.01.2023, 08.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: tierisch

Erschöpft

Ich brauche mehr Zeit.
Ich fühle, wie alles in mir heilen will, sich dem stellen will, was mich die letzten Monate zerrissen hat, aber ich brauche dafür Zeit in meiner Einsamkeit.
Es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, hier wirklich alleine zu sein.
Aber alles in mir drängt danach, im Schutz meiner Mauern loszulassen, abzugeben, mich fließen zu lassen.
Ich darf nicht.

Das enge Zeitfenster von einigen Stunden am Morgen wird durch den Alltag boykottiert, schrumpft auf einen Bruchteil dessen, was ich benötige, um überhaupt funktionieren zu können. An Tagen, an denen Kinder später das Haus verlassen, früher nach Hause kommen, frei haben, ist es kaum möglich, mich rechtzeitig wieder einzusammeln, also bleibe ich im Alltagsmodus, sehnsüchtig an ein Quäntchen weniger Disziplin im Gehirn denkend.
Ich schaffe nicht viel.
Ich bin damit beschäftigt, mich zusammenzuhalten.
Dem Drang zu widerstehen, alles kurz und klein zu schlagen, zu wüten, mein Leben einfach hinter mir zu lassen und aufzubrechen.
Irgendwohin, wo mich niemand kennt, mir niemand wehtun kann, ich niemanden liebe, nicht in dieser verdammten Verletzlichkeit bleiben, sondern einfach nur noch existieren muss.

Kati 24.01.2023, 12.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Von Körpern, vom Altern, von der Liebe

Ich war fünf, als ich das erste Mal meine Mutter weinend im Keller fand.
Und ich wusste mit dem gesamten Instinkt eines Kindes, worum es geht. Es wurde nie ausgesprochen. Ich hab sie geliebt. Pia. Eine so herzensgute Frau, die mich durch die Chemielabore der Universität führte und auf mich aufpasste, wenn mein Vater beschäftigt war. Schwarzer Wuschelkopf, dunkelbraune Augen, die Anmut und Eleganz in Person und dabei so unglaublich zugewandt. So warmherzig. Alles, was meine Mutter nie war.

Ich kann mutmaßen, warum er sich in sie verliebt hatte. Aber ich weiß es nicht. Denn wir sprachen ja nicht über diese Dinge. 35 Jahre später sollte ich von meiner Großmutter erfahren, dass „das junge hübsche Ding mit den schwarzen Locken“ dafür verantwortlich war, dass wir damals so weit weg zogen. Mal wieder.

Ich bin inzwischen in dem Alter, in dem meine Mutter mit ihren Schönheitsoperationen begann. Nach endlosen Diäten, die ich allesamt mitmachen musste, begannen mit meiner Pubertät ihre Besuche bei führenden Schönheitschirurgen.
Ich war überall dabei.
Der unnachsichtige schwarze Edding auf der nackten Haut meiner Mutter kombiniert mit den kühlen Bemerkungen über Ästhetik und Machbarkeit ließ mich schnell begreifen, dass eine Frau vor allem dünn und straff zu sein hatte.
Das Ideal meines Vaters, dem sich die gesamte Welt unterordnen musste.

Meine Mutter nahm ab und nahm wieder zu und wieder ab, es war ein täglicher und endloser Kampf um Kalorien, in den vor allem ich mit einbezogen wurde.

Ich habe eine Tante - die Schwester meiner Mutter - die immer unglaublich dick war. Ihr Mann - mein Onkel - ist ein muskulöser Mann, der seine Frau und ihren Körper vergöttert. Alles, was ich in Kindheit und Jugend im Positiven über sexuelle Anziehungskraft gelernt habe, habe ich in dieser Beziehung sehen dürfen.
Dieser Blick, wie er nur Augen für meine Tante hatte, sie anhimmelte und bewunderte und ihr immer und zu jedem Zeitpunkt zu verstehen gab, dass sie körperlich und geistig seine absolute Traumfrau sei.

Bei längeren Aufenthalten der Beiden bei uns führte das zu einer nicht unerheblichen Menge an Spannungen.
Eines Abends, als mein Vater schon wieder einiges getrunken hatte, wurde ihm die Turtelei der beiden zu viel und er stand schnaubend auf.

Geklapper aus dem Arbeitszimmer und er kam kurz darauf mit einem Stapel Playboys wieder, den er vor der gesamten Familie auf den Wohnzimmertisch knallte. „SO!“, brüllte er, „SO SEHEN RICHTIGE FRAUEN AUS! NICHT WIE DIE FETTBERGE, DIE HIER GERADE SITZEN!“.

Ich kannte die abfälligen Bemerkungen über meinen pubertären Körper, den mal dünnen, mal dicken Körper meiner Mutter und den immer kompromisslos weichen Körper meiner Tante, aber dieser Moment hatte eine Intensität, die im Laufe der nächsten Jahre noch zunahm.
An diesem Abend zerbrach sehr viel in sehr vielen Menschen.

Ich bin 44, übergewichtig, habe Falten, meine Brüste hängen, ich habe 9 Kinder in meinem Körper getragen, er hat zahlreiche Narben, hat meine Verletzungen und Brüche heilen lassen und gibt all meinen Anteilen ein Zuhause.
Er ist kräftig, stark und er trägt mich.

Mein Mann lässt seit 18 Jahren keinen Zweifel daran, dass ich die schönste, attraktivste und erregendste Frau dieser Welt für ihn bin. Ich lege meine Hand generell nicht für Menschen ins Feuer, aber diese körperliche Anziehungskraft zwischen uns ist etwas, das so unumstößlich in meiner Selbstbetrachtung verankert ist, dass ich nicht zweifle.

Als meine Mutter 44 war, waren nach Bauchdecke und Oberschenkeln gerade die Brüste dran. Ich musste die Wundversorgung zuhause machen und ihre körperliche Übergriffigkeit nahm durch die bei der medizinischen Versorgung notwendige Nähe wieder zu. Mein Vater kommentierte das ganze Operationsprozedere in denkbar destruktivster Weise und war in dieser Zeit mit seiner Sekretärin äußerst beschäftigt.

Ich erinnere mich nach den depressiven Tiefpunkten, in denen sie mich sexuell überhaupt nicht in Ruhe ließ, an sehr euphorische Phasen, als alles schön hochgeschnallt und verheilt am Körper stand - denn hängen konnte ja nichts mehr - und ihre exhibitionistische Ader völlig aus dem Ruder lief, egal, ob es sich um Väter von Freundinnen, Lehrer oder um den Obstverkäufer handelte.

Das war dann auch die Phase, in der ich mit ihr alleine auf Reisen gehen musste. Wir durchquerten ganz Europa. Und egal, ob Italien, Frankreich oder Monaco, die zur Schau gestellte verzweifelte Körperlichkeit einer alternden reichen Frau lockt nicht die Art von Männern an, denen man abends im Dunkeln begegnen möchte

Ich weiß noch gut, wie wütend sie wurde, als ich am Mittelmeer von einem erwachsenen Mann massiv sexuell belästigt wurde, weil ich doch schließlich nicht so attraktiv war wie sie. Wie konnte er es wagen, mich zu belästigen, wenn doch sie da war?
Der Hass, mit dem sie mich anklagte, kokettiert zu haben, um SIE auszubooten, öffnete eine ganz neue Dimension an Schuldzuweisungen.
Der Absurdität waren in diesen Jahren kaum Grenzen gesetzt.

Was macht das also heute mit mir? Manchmal betrachte ich meinen Körper und sehe Gemeinsamkeiten, die mir das Blut in den Adern gefrieren lassen.
Nicht nur, dass ich ihr im Gesicht äußerst ähnlich sehe, auch mein Körper weist einige Ähnlichkeiten auf. Ich sehe jeden Tag meinen eigenen Täter im Spiegel.

Ich bemühe mich, mich in diesen Momenten durch die Augen des Mannes zu betrachten und das bedeutet, so viel Liebe in meinen Blick zu legen, dass die Erinnerung an Macht und Ekel verliert.

Körperlichkeit bedeutet in unserer Familie Geborgenheit, Liebe, Wärme.
Ein Körper muss keine bestimmte Form haben, nicht auf eine bestimmte Art und Weise aussehen, nichts leisten, um dafür wertgeschätzt zu werden, dass er uns durchs Leben trägt.

Ich musste das erst lernen und der Weg war mühsam.
Bei mir selber gelingt diese Betrachtungsweise noch nicht immer, aber besser, je älter ich werde.

Ich werde meinen eigenen Weg finden, so zu altern, dass ich - und nur ich - damit gut leben kann.

Kati 23.01.2023, 15.02| (5/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedankenchaos

Wochenendnachlese

Das Wochenende war emotional so dicht, dass ich vermutlich einige Zeit benötigen werde, mich von den Eindrücken zu erholen. Es ist ein unfassbar großes Geschenk, erwachsene Kinder Entscheidungen treffen sehen zu dürfen und es erfüllt mich mit Ehrfurcht, dass das Baby, das ich gestern in meinen Armen hielt, im Hier und Heute mit beeindruckender Reife selbstwirksame Dinge tut. Ich kann nur schauen und staunen und bewundern und versuchen, mit meinem Stolz und meiner Liebe nicht am Boden zu halten, was fliegen muss.
Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten oft gefragt, ob richtig ist, was ich tue. Bei jeder Entscheidung hadert man als Mutter, ob es wirklich das Richtige ist und man weiß, dass man erst Jahre oder Jahrzehnte später Antworten oder ein ehrliches Feedback erhalten wird, und das auch nur, wenn man ganz viel Glück hat.

Und ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht jetzt schon mit diesem geistig anmutigen und reflektierten Wesen, das genau und respektvoll benennen kann, was gut getan hat und was nicht. Es offenbart auch in diesem Alter schon eine Erfahrungs- und Gefühlstiefe und Weitsicht, die mich schier sprachlos macht.

Wie kann ein Mensch von innen und außen nur so schön sein?

Kati 22.01.2023, 21.00| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: ziehen - beziehen - erziehen

Vom Gras in Azeroth

Ich war vor 15 Jahren der Vergelterpaladin in Lederrüstung mit Schwert und Schild.
Der, der Beweglichkeit als Mainstat hatte, weil das irgendwie cool klang. Mit einer kleinen Intelligenzverzauberung, weil Intelligenz ja nicht so verkehrt sein konnte.
Der, über den man sich sehr oft lustig gemacht hat, weil er falsch geskillt war. Der, dem man mit jedem (Rat)Schlag ja „nur helfen wollte, damit er endlich besser spielt“.

Nach einigen Jahren kam der Punkt, an dem ich mich fragte, warum einige Dinge nicht gingen und wie ich das eventuell verändern kann.
Und vor diesem Punkt drang kein Ratschlag zu mir durch.
Weil man die Entwicklung von Menschen nicht beschleunigen kann.
Niemals.

Ich nehme diese Erkenntnis für mich genauso in Anspruch wie ich sie für andere verteidige.
In meiner Gilde sind Menschen willkommen, keine gut gespielten Avatare. Es geht niemals um Leistung oder Wettbewerb, es geht immer um den Menschen. Es gibt keine Rollen, die „benötigt“ werden, es gibt keine Vorgaben, wie man seine Zeit im Spiel verbringt, es ist verdammt noch mal Freizeit. Und ich habe so gut wie jedem Mitspieler der Gilde vor der Einladung die gleiche Antwort gegeben: Es gibt keinen Zwang.

Die Jagdgesellschaft besteht zu einem großen Teil aus Menschen, die im täglichen Leben alles geben und auch alles geben müssen.
Menschen mit so viel Gepäck im Rucksack, dass andere darunter zusammenbrechen würden.
Menschen, die unter hohem Druck jeden Tag Außergewöhnliches leisten UND funktionieren müssen.

Azeroth ist nicht so. Azeroth ist Zuflucht.

Und wenn wir sagen, wir machen einen Gildenraid, bei dem wir gemeinsam versuchen, etwas zu erreichen, dann heißt das in letzter Konsequenz genau das: Dass wir den Vergelterpaladin mit Schwert und Schild und Beweglichkeit und Intelligenz in Lederrüstung mitnehmen, weil er genau so Teil unserer Gilde ist, wie wir ihn aufgenommen haben und den Mensch dahinter mögen. Und solange er nicht um Rat fragt, braucht er auch keinen. Sobald ER SELBER nicht mehr zufrieden ist und um Rat oder Hilfe bittet, bekommt er alles, was er möchte, zur Verfügung gestellt.

Wenn wir stattdessen einen Leistungsraid planen würden, dann stecken wir vorher die Kriterien dafür ab und kommunizieren klar und angemessen, was erwartet wird.

An Gemeinschaft selber werden keine Bedingungen gestellt. Sobald mein Wert als Mensch oder Spieler daran geknüpft ist, wie nützlich ich bin, entziehe ich mich dem.

Ich mag kompetitives Spiel. Es gibt einige wenige Spieler, an denen messe ich mich gerne und ostentativ, weil das zwischenmenschlich passt. Ich erwarte von niemandem, meinen Spielstil zu mögen und kritisiere im Gegenzug auch niemanden für seinen. Wenn ich höre, dass ich zu viel herumkaspere, dann nehme ich das zum Anlass, lieber mit Gruppen zu gehen, die ähnliche Vorstellungen von einer gut verbrachten Zeit haben wie ich oder mich mittragen, so wie ich ihre Eigenarten mittrage.

Denn es ist ganz natürlich, dass es dazu kommt, dass Menschen unterschiedliche Zielvorstellungen entwickeln. Dass ihr Anspruch an Dinge steigt, die für andere vielleicht gar nicht wichtig sind.

Die Jagdgesellschaft besteht aus Menschen, die seit fast 20 Jahren raiden und aus solchen, die fragen, wie man das Zauberbuch öffnet und jenen, die sich irgendwo dazwischen bewegen. Dass es aufgrund dessen Diskrepanzen in der Spielweise gibt, ist in meinen Augen nicht erwähnenswert oder gar diskussionswürdig. Denn auch hier gilt: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Und nicht jeder Golfrasen möchte die Höhe von Pampasgras erreichen.

Sobald also Spieler mehr erreichen wollen, als es gildenintern zu diesem Zeitpunkt möglich ist, steht ihnen die Welt offen, sich für das Erreichen dieser Ziele Gleichgesinnte zu suchen. Gründet eine gildeninterne oder gilden/extern gemischte Progressraidgruppe oder tretet einer bei - ich unterstütze das von ganzem Herzen mit allem, was ich habe und freue mich über jeden Erfolg, jeden gelegten Raidboss, jede Meldung im Gildenchat.

Ich bin die, die mit PomPoms vor dem Raideingang steht und euch zujubelt, weil es ganz großartig ist, wenn Menschen sich Ziele setzen und dafür kämpfen, sie zu erreichen.
Go for it!

Was wir allerdings in der Jagdgesellschaft niemals tun: Menschen ausschließen, weil sie sich den Ansprüchen Anderer nicht unterordnen können oder wollen.
Egal, wie ihre Gründe sind.

In den letzten Tagen haben mir einige Menschen geschrieben, dass sie gerade beginnen, ingame genau diesen Druck fühlen, der im realen Leben auf ihnen lastet und in aller Deutlichkeit: Es gibt keinen Grund dafür.

Eine Kette ist vielleicht nur so stark wie ihr vermeintlich schwächstes Glied.
Aber eine Gemeinschaft ist keine Kette.
Eine Gemeinschaft lässt Raum für Stärken und Unterschiede
Eine Gemeinschaft ermöglicht tragen und getragen werden.

Das ist, wie ich lebe.
Das ist, wie ich spiele.

Kati 16.01.2023, 10.21| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Azeroth

Weiter.

Ich sitze im Garten unter dem Regenschirm und versuche, mich in die Dunkelheit fallen zu lassen. Nasskalte Luft einzuatmen, immer ein und wieder aus.
Der Brechreiz ist unerträglich.
Ich kann das.
Ein und wieder aus.
Ich versuche, das Migränemedikament drin zu behalten und in meinem Gehirn kreisen chemische Zusammensetzungen von Medikamenten und Giftstoffen und Beipackzettel und Obduktionsbericht.
Ein.
Und wieder aus.
Ich kann das.
Ich versuche, meine Gedanken zuzulassen, aber nicht festzuhalten. Alles im Fluss. Spüre, wie mein Magen sich zusammenkrampft. Er ist eine faszinierende Sache, unser Geist, selbst in solchen Momenten.

Der große Bärenkopf auf meinem Schoß wird schwerer und schwerer. Der Druck wird höher, intensiver - hallo, hier bin ich, bleib auch du bei mir. Das hat er schon als Baby gemacht und nun als erwachsener Rüde hat er die Reife und Erfahrung hinzugewonnen, zu wissen, ob das reicht, oder ob er mich anders zurückholen muss. Ich würge. Er entscheidet sich, meine Haut unter der Hose zwischen seine Zähne zu nehmen und sacht daran zu knibbeln. Feine Nadelstiche, Schmerz, der mich durchflutet, aber auf die gute Art. Die, die zeigt, dass man lebendig ist, ohne davon zerrissen zu werden.

Einatmen.
Ausatmen.
Ich lege die Hand auf seinen Kopf und er brummt bestätigend.
Das habe ich wohl gut gemacht.
Immerhin.

Die Kinder sind inzwischen wach und geistern durchs Erdgeschoss. Zwei Köpfe erscheinen in der Haustür und fragen, wie es mir geht, ob ich Kopfschmerzen und Zyklus habe. Ich bejahe. Man bringt mir einen Kakao und eine Pizzaschnecke.

Hier ist Liebe.
Ich bin nicht allein.

Ich sitze nicht in Schweden auf einer Veranda und habe mich vergiftet, ich bin zuhause und habe eine angemessene Dosis von einem Schmerzmittel genommen, das ich vertrage und werde irgendwann sterben, aber nicht jetzt.

Der braune Bär vor mir wedelt inzwischen, ich bin wieder da.
Ich schiebe ihm die Pizzaschnecke in die Schnute und stehe auf.

Weiter.

Kati 12.01.2023, 07.58| (1/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Vom Leben und Sterben

Hej.

Ich habe wieder von dir geträumt. Von uns. Seit der Obduktionsbericht da ist, kreist mein Herz darum. Jeden Abend vor dem Einschlafen wälze ich deine letzten Momente im Leben hin und her. Worte im Gehirn, Risse in der Seele. Mitleid. Mitgefühl. Zum Bersten gefüllt mit Emotion. Es tut mir so unendlich leid. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass unser Frieden - ich glaube, der einzig Echte, den wir beide jemals hatten - genau dort stattfand, wo wir Leben genommen haben. Beim Jagen, beim Fischen. Ich habe so viele Lebewesen sterben sehen und gehört. Vor allem gehört. Und ich habe so viele davon selber getötet. Stolz war das, was in deinen Augen dabei aufblitzte. Qualvolle Pein, was ich empfand.

Aber die Jagd - nie waren wir uns näher als hier. Die endlose Ruhe in uns beiden, perfekt aufeinander abgestimmte Bewegungen, absolute Stille, nur Natur um und der Himmel über uns. Glück. Pures Glück. Es gibt einen Akt der Milde, den ich dir nie vergessen werde. Eine Lüge, die ich nur zu gerne geglaubt habe.

Ein Tier ist mir schwer verletzt entkommen und ich bin panisch schreiend und in Tränen aufgelöst vor dir auf die Knie gesunken, während der Schmerz in mir implodierte. Die Schuld, die Teile von mir schon als kleines Kind fast erdrückt hat, die Grundfähigkeit zur Empathie, die alles, was du von mir je verlangt hast, nur darin gipfeln ließ, dass die Trennung in mir so unumkehrbar erfolgte, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, die Bruchstücke meiner Selbst zu finden und mit dem Rest Liebe, der mir bleibt, willkommen zu heißen und in Sicherheit zu wiegen, wie es dir und euch nie möglich war.

Aber an diesem einen Tag, als ich mich nicht beruhigen konnte, als ich nicht aufhören konnte, zu schreien, als die Spiegelneuronen in mir explodierten und mein gesamtes Sein nur aus diesem verletzten und blutendem Wesen im Wald bestand, so dass ich dachte, ich muss an dieser Schuld selber sterben, da hast du mich angelogen.

Es war eine so alberne und barmherzige Lüge, wie nur Kinder sie glauben können, weil sie wollen. Ich hab sie nicht hinterfragt. Als wir zusammenpackten, zum Boot gingen und ich mich darin schluchzend zusammenrollte und einschlief, warst du in meiner Nähe und ich spürte dich. Als Mensch. Du hast mich nicht umarmt, nicht berührt, das hast du nie getan, aber da war Menschlichkeit. Ein Funken Verletzlichkeit. Das eine Mal.
Ich denke noch heute, so viele Jahrzehnte später, oft an dieses Tier und diesen Moment. Und an dich, wie du in diesem einen Augenblick warst.

Kati 09.01.2023, 07.58| (0/0) Kommentare | PL | einsortiert in: Briefe



Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.

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