Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Gedankenchaos

Fallen

Die Dinge, die uns lange Jahre so unverrückbar, unbezwingbar, unantastbar erschienen - sie fallen. Sie zerfallen, zerfasern, lösen sich auf. Und ungläubig staunend sehe ich zu, wie die Dinge sich ordnen. Eins ums Andere.
Lange Zeit konnten wir nur Weichen stellen, ohne jemals die zukünftige Strecke auch nur erahnen zu dürfen.
Wir haben monate- und jahrelang auf etwas zugearbeitet, das wir nicht sehen und kaum greifen konnten.
Jetzt sind wir dort. Und sehen. Begreifen, wofür es sich gelohnt hat.

Die Trauer um die Vorstellung, wie wir es uns als Familie gewünscht hätten, ist allerdings blass geworden.
Wir gehen nun eben einen anderen Weg als wir uns vorgestellt haben.

Und vielleicht ist alles gut so, wie es passiert ist.

Kati 13.09.2019, 18.00 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Flashbacks

Dieser Tage reicht ein Blick auf die Uhr, um vor 17 Jahren festgebrannte Erinnerungen in Echtzeit wiederauferstehen zu lassen. Nicht von ungefähr kommt das Kratzen im Hals, die Kopfschmerzen, die Magenschmerzen, das Unwohlsein. Die Erinnerungen an das Durchlebte, die als absolut erfahrene Einsamkeit, die Schmerzen, die Hilflosigkeit. Selten ist etwas so klar und scharf umrissen wie in diesen ersten Septembertagen.
Dieses Mal wiederholt sich sogar die Wochentagfolge von damals.
Der Montag, der Dienstag, der Mittwoch. 

In 20 Stunden werde ich zweimal bei der Geburt meines ersten Kindes gestorben sein.
In 24 Stunden werde ich vom Chefarzt im Aufwachraum darüber informiert worden sein.
In 26 Stunden werde ich meine seit 6 Stunden laut schreiende Tochter das erste Mal in den Arm genommen haben und dann 18 Monate lang wortwörtlich nicht mehr loslassen.

Und ich kann sie morgen nicht einmal in den Arm nehmen, um ihr und mir zu ihrem Geburtstag zu gratulieren.
Weil sie weg ist.

Kati 03.09.2019, 12.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Verarbeitung

Vielleicht besteht ein nicht unerheblicher Teil von Aufarbeitung in dem Eingeständnis, dass man bestimmte Dinge einfach nicht verstehen wird.
Egal wie oft man sie ans Licht zerrt, betrachtet, zu Tode analysiert.
Vielleicht bleibt für diese Bereiche nur die Akzeptanz.

Kati 23.05.2019, 18.00 | (0/0) Kommentare | PL

Von Heimat und Wahlheimat

Wir sind vor einigen Tagen, als wir den kleinen Eisbären, der mal ein Hund werden möchte, ausgesucht haben, nach langer Zeit mal wieder in eine Gegend gefahren, die so platt war wie meine ehemalige Heimat.
Wann immer wir bislang nach Norden fuhren - je platter das Land, desto wohler fühlte ich mich.
Berge waren in meinem Leben nie wirklich existent bis ich vor 14 Jahren hierherzog. Und damals dachte ich, ich werde mich niemals an dieses Gefühl des Eingesperrtseins gewöhnen. Überall nur grüne Hänge, Berge, Wände aus Fels und Bäumen, ich rutschte direkt in eine ausgewachsene verzweifelte Depression, weil ich nicht mehr hunderte von Kilometern über die Ebene sehen konnte. Das blieb auch lange Jahre so.
Und als wir die letzten Male gen Norden fuhren, merkte ich schon, dass das hüpfende Herz erst reagierte, als auf dem Rückweg die ersten Berge des Sauerlands wieder zu sehen waren. Diese üppige Vegetation an Felshängen und auf Bergen, das umgebende Grün, kein flaches Ackerland, das mir plötzlich so seltsam trostlos erschien, als es auf der Hinfahrt vor uns auftauchte.
Und genauso war es vor einigen Tagen. Das flache Land ist nicht mehr länger der Auslöser für diese Art von Sehnsucht.
Es ist eine liebe und wertvolle Erinnerung an ein früher geworden, das es heute nicht mehr gibt. Und das ist völlig okay so. Meine Heimat ist nun hier.

Kati 22.05.2019, 18.00 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Ausrichtung

Ich bin jemand, der sich mit Veränderungen sehr schwer tut, wenn diese nicht von mir ausgehen. Ich weigere mich lange und standhaft, Dinge zu aktzeptieren, die ich nicht akzeptieren will. Aber - und das ist in meinen Augen eine meiner größten Stärken - wenn ich etwas hinter mir lasse, dann liegt es auch tatsächlich genau dort: hinter mir. Wenn ich mit etwas fertig bin, dann lasse ich innerlich los. Konsequent und allumfassend. In den letzten Wochen durfte ich dabei zusehen, wie mein Fokus sich von dem Blick in den Rückspiegel langsam löste und wieder anfing, sich nach vorne auszurichten. Stück für Stück, mit Rückschlägen, schmerzhaft, langsam aber beständig. Mein Alltag richtet sich allmählich wieder nach meinen Plänen und Leidenschaften aus und wird nicht mehr von meinem Leid und meinen Befindlichkeiten bestimmt.

Kati 14.05.2019, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL

Schach

Der Mann hat vor einigen Wochen begonnen, mit den Kindern Schach zu spielen. Ich habe ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zu diesem Spiel. Ich spiele Schach, seit ich 3 Jahre alt bin. Gegen einen Vater, der hochintelligent, anspruchsvoll, perfektionistisch und hart war.

Ich habe das Spiel geliebt und das Spielen gehasst.

Das Warten auf seinen Zug, das vernichtende Urteil, wenn ich nicht mindestens 5 Züge im Voraus geplant hatte, Taktikbesprechungen, die Fehler, die nie verziehen wurden. Meine Niederlagen waren keine verlorenen Spiele, es waren Demütigungen. Er war immer besser als ich. Und als ich gelernt habe, so zu spielen wie er, damit ich gewinnen konnte, verlor ich jede Freude daran.

Natürlich ist Schach ein logisches Taktikspiel. Aber ich bin kein logischer oder taktischer Mensch. Ich treffe Entscheidungen aus dem Bauch heraus, ich verabscheue langes Nachdenken, ich spiele auch beim Schach für den Lustgewinn und erst in zweiter Linie für den Sieg. Gegen jemanden wie meinen Vater zu spielen bringt mir so viel wie gegen einen Schachcomputer zu spielen. Es langweilt mich zu Tode, wie so viele Dinge, die perfekt sind.

Jetzt ist es so, dass die Kinder mich gebeten haben, an mir üben zu dürfen, seit der Mann mit ihnen spielt. Nach einigem Zögern habe ich dem zugestimmt und sehr schnell meine Liebe zu diesem Spiel wiederentdeckt. Und ich darf das Echo der Begeisterung spüren.

So liefern wir uns wilde Schlachten um Türme, Pferde und Läufer von einer Seite zur anderen, die mitunter auch ohne Sinn und Verstand ablaufen, aber Spaß bringen. Und im Laufe der Wochen geschah etwas Bemerkenswertes: Sie veränderten das Spiel selbständig. Sie fingen an zu taktieren, mich einzuschätzen, Züge im Voraus zu planen und meine Schachzüge vorauszusehen. 

Der große Sohn spielt wie sein Vater nur um den Sieg und bringt mich inzwischen schon ins Schwitzen, wenn ich ihm nur gegenüber sitze. Die Kriegerprinzessin ist eine Chaotin vor dem Herrn, lernt aber inzwischen, wo ich meine Schwachstellen habe und verfolgt diese unerbittlich. Der kleine Sohn ist ein logisches Gehirn durch und durch. Er erfasst jedes meiner Vorhaben mit Leichtigkeit und es ist recht anspruchsvoll, ihn zu besiegen.
Und obwohl die Denkpausen länger werden und das Vorausplanen der eigenen Züge viel umfassender, verlieren wir bei alledem nicht den Kontakt zueinander.

Es wird mit Liebe gespielt und vielleicht ist genau dies der entscheidende Unterschied, den ich nie kennengelernt habe.

Kati 21.02.2019, 12.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Vergebung

Wenn man sich entscheidet, Jemandem zu vergeben, dann ist das Vergeben kein Vergessen.
Im Gegenteil: die Erinnerungen bleiben.
Wertvolles Mahnmal und qualvolle Fußfessel gleichermaßen.

Es ist ein machtvolles Instrument, dieses Vergeben. Dem Anderen wahrhaft zu verzeihen, bedeutet die bewusste Entscheidung, die Vergangenheit niemals mehr als Waffe gegen ihn einzusetzen.
Egal wie schwer das fällt. Egal, wie schwarz der Abgrund ist. Egal, wie tief der Morast und wie verlockend die Versuchung ist.
Man entlässt ihn aus dem eigenen Anspruch auf Reue und Wiedergutmachung, nicht aber aus der Verantwortung.
Was bleibt, ist der Schmerz.
Ins Unendliche gesteigert durch einen Vorgang, der Erlösung verspricht, aber allzu oft nur dem Anderen.
Es ist eine Verpflichtung, die aus Respekt sich selbst und manchmal auch aus Liebe dem Anderen gegenüber eingegangen wird.

Vergebung heißt nicht, dass es nicht mehr weh tut.
Es ist das Versprechen an die Zukunft, in der Gegenwart leben zu wollen, statt in der Vergangenheit zu versinken.

Kati 15.01.2019, 22.00 | (0/0) Kommentare | PL

Auf ein Neues, 2019!

Und vielleicht merkt man erst dann, wie wenig Luft einem nur noch zum Atmen blieb, wenn sie wieder da ist.

Kati 07.01.2019, 12.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

22 Jahre Führerschein

Heute ist es soweit: Seit 11 Uhr bin ich genau 22 Jahre lang im Besitz eines Führerscheins. Praktisch unfallfrei, wenn man von dem einen winzigen Kratzer mal absieht, den ich einem unfassbar langsam abbiegenden Auto an den Kofferraum gefahren habe - vor 21 Jahren.
Heute vor 22 Jahren habe ich mich von dem komplett rothaarigen Tormund Giantsbane-Verschnitt, der mein Fahrlehrer war und mit dem ich für die Dauer meines Führerscheins eine kleine Affäre hatte, verabschiedet und habe den Prüfer zur Verzweiflung getrieben, weil ich jedes grenzwertig auszulegende Manöver in der Prüfung sehr gut begründen konnte.
Da ich bereits 18 Jahre alt war, habe ich mir meinen Führerschein aushändigen lassen, bin dann in mein eigenes Auto gestiegen und erst mal zu meinem Tätowierer und danach 600 Kilometer zu meinen Verwandten gefahren.
Bei Glatteis auf der Autobahn.

Da habe ich dann auch sehr schnell gelernt, was es heißt, ein Auto nicht mehr unter Kontrolle zu haben und kann behaupten, dass ich seit dieser Horrorfahrt ein recht umsichtiger Autofahrer bin. 

Autos bin ich viele gefahren. 
Vom Mini Cooper über den klassischen VW, von der Ente zum Kübelwagen, von einem Trabbi, bei dem ich nur durchs Beifahrerfenster einsteigen konnte bis zum großen Geländewagen war alles dabei.

Je älter ich wurde, desto vernünftiger wurden die Autos und je mehr Kinder ich bekam, desto größer wurden sie auch. 

Aktuell bin ich mit einem Auto von 5,40m Länge und einer Breite von 2,30m bei meiner vorläufigen Maximalgröße angelangt. Normale Parkplätze sind für uns nicht diskutabel, die meisten Parkhäuser auch nicht.
Aber ich liebe unseren giftgrünen Tourbus und möchte ihn nicht missen. Auch wenn die Kinder, die damit fahren, langsam weniger werden, hoffe ich, dass er uns noch lange erhalten bleibt.

Ich kann mir heute kaum vorstellen, jemals wieder auf ein "normales" Auto umzusteigen.

Kati 19.12.2018, 12.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Puzzleteile

Die Kriegerprinzessin ist seit einer Woche am Meer auf Klassenfahrt. Und zusätzlich zum "es fehlt ein Kind" und "ich vermisse mein Kind", fehlt sie mir ganz besonders. Sie ist das Kind, das mir am ähnlichsten ist. Auch das, mit dem ich am häufigsten aneinander rassle, das liegt wohl in der Natur dieses Umstands.
Und sie ist das Kind, das die meisten meiner eigenen Leidenschaften teilt. Allen voran Tiere. Und so fehlte sie mir, als die neuen Küken geschlüpft sind, sie fehlte mir, als ich mit einem der großen Rammler zum Tierarzt musste, sie fehlt mir bei der abendlichen Fütterungsrunde und beim Erzählen der vielen großen und kleinen Begebenheiten, die den ganzen Tag so passieren. Egal, ob der Hund wieder ins Wachtelgehege eingebrochen ist, die Katzen Mist gemacht haben oder ich über Stallumbauten nachdenke. Keines der anderen Kinder hat auch nur annähernd so viel Interesse an anderen Lebewesen wie dieses Eine. Tiere, Pflanzen, Menschen - alle. Keines, das sowohl um das Wohl von Insekten besorgt ist als auch bissige Pferde hätschelt. Aus purer Liebe zu dieser Welt und allem, was darin lebt.
Das große Tochterkind findet alles niedlich, so lange es klein und flauschig ist und sie Abstand davon halten kann, der große Sohn hat Angst vor den meisten Tieren - wenn auch ein großes Herz für sie, der kleine Sohn liebt Eier sammeln und mit dem Hund spielen, ist aber noch zu klein für echte Verantwortung und dem autistischen Zusatzkind fehlt jede Art von Fähigkeit, sich mit Gefühlen oder Bedürfnissen anderer Wesen auseinanderzusetzen.
Ich bin sehr dankbar, dass dieses eine Puzzleteil am Ende der Woche wieder bei uns ist.

Kati 21.06.2018, 12.00 | (0/0) Kommentare | PL




Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.


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